Es ist Wahlkampf und der Budgetposten «Werbung» der Parteien hat beträchtliche Grössen erreicht. Die meisten Parteien setzen auf bewährte Marketingstrategien. Das heisst, sie setzen auf Plakate, Flyer und Standaktionen und verteilen Blumen, Honig, Gipfeli und Gummibärchen.
Doch es gibt auch neue Strategien, um die Wähler zu erreichen. Etwa die Wahlkampagne der SVP, die «lustige» Videos beinhaltet und die Volkspartei hip machen soll. Oder diejenige der SP, die auf Gespräche am Telefon setzt. Ein Bericht von Thomas Leuzinger, ehemaliger Klein-Report-Redaktionsleiter und zur Zeit Regional-Leiter der SP-Basiskampagne.
Der erste Eindruck der Telefonaktion der SP entspricht wohl bei einigen Leuten demjenigen von SVP-Präsident Toni Brunner, der die Basiskampagne in der «Arena» mit Krankenkassen-Telemarketing verglich. Die SP würde mit ihren Werbeanrufen die Bevölkerung nur nerven, war er überzeugt. Tatsächlich evoziert die Vorstellung, dass die SP-Mitglieder 100 000 Wähler per Telefon zum Gang an die Urne aufrufen, das Bild eines Call-Centers.
Mit den Call-Centern hat die Kampagne allerdings nur vordergründig zu tun. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass mit den Mitgliedern Überzeugungstäter am Werk sind, die nicht für eine Provision arbeiten. Auch gestandene Politikerinnen und Politiker wie Jacqueline Badran, Paul Rechsteiner oder Susanne Leutenegger-Oberholzer sprechen persönlich mit Dutzenden von Bekannten und rufen dazu auf, unbedingt an den Wahlen teilzunehmen. Und selbstverständlich telefonieren die Freiwilligen nicht mit dem Telefonbuch in der Hand, sondern mit ihren Freunden, Bekannten und SP-Sympathisierenden.
Die 550 Telefonaktionen mit Tausenden von SP-Mitgliedern, die in den vergangenen drei Wochen verteilt über die ganze Schweiz stattgefunden haben, stellen zudem nur einen Aspekt der Basiskampagne dar. Es ist neben dem Mobilisierungsaspekt auch eine Kommunikationsoffensive gegen innen.
In keinem Wahlkampf zuvor hat die SP mit so vielen der eigenen Mitglieder das Gespräch gesucht. In manchen Kantonen wurden mehr als 80 Prozent der Mitglieder persönlich angefragt, ob sie sich im Wahlherbst für ihre Partei einsetzen möchten. Zwei Drittel sagten zu. Selten haben sich so viele SP-Mitglieder für ihre Partei ins Zeug geworfen.
Es ist also nicht nur eine Einwegkommunikation von den Wahlkampfverantwortlichen zur Parteibasis. Die Basiskampagne will auch, dass die Mitglieder selbst aktiv werden, sich einbringen und sich selbst für ihre politischen Ideale einsetzen. Die Beteiligung an unserer Politik ist sicher wünschenswert, gerade auch in Anbetracht der sinkenden Wahlbeteiligung.
Die Basiskampagne der SP ist also bei Weitem nicht nur der Versuch, möglichst viele Nicht-Wähler an die Urne zu bringen, sondern auch der Versuch, die Kommunikationsstrukturen innerhalb der SP zu verbessern und Mitglieder zu reaktivieren und (wieder) für Basisarbeit zu begeistern. Das könnte der Partei neuen Schub geben, auch wenn sich Journalist Constantin Seibt im «Tages-Anzeiger» darüber ärgert, weil damit keine politischen und medial wirksamen Debatten entfacht wurden.