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Freitag
01.02.2013

Die Sonntagspresse in der Schweiz stellt sich neu auf. Warum? Und was müsste der Schrittwechsel zusätzlich bringen? Profitieren sollte der Journalismus. Für den Klein Report kommentiert Roger Blum.

Sonntagszeitungen gab es ursprünglich nur in England. Den Briten war am heiligen Sonntag fast alles verboten - ob Tanzen, Saufen, Spielen, Sport, Kino oder Theater. Da blieb nur Beten und Lesen. Dankbar nahm die Bevölkerung daher das Angebot der informierenden und unterhaltenden Sonntagsblätter an, die Anschlussgespräche ermöglichten.

Erst viel später sprang die Sonntagszeitungs-Idee auch auf den europäischen Kontinent über. In der Schweiz zirkulierten zwar bereits in den sechziger Jahren zwei Sonntagsblätter, «La Suisse» und das «Berner Tagblatt», die vor allem über den Sport am Samstag berichteten. In dieser Zeit entstand auch schon der «Sonntagsblick». Aber so richtig los mit den Sonntagszeitungen ging es erst gegen Ende der achtziger Jahre. Inzwischen gehört die Deutschschweiz mit ihren fünf Millionen Einwohnern zu den Regionen mit der höchsten Sonntagsblätter-Dichte in Europa: Sieben Titel kommen hier heraus, das bedeutet einen Titel auf 700 000 Einwohner.

Die Suisse romande hingegen mit 1,5 Millionen Einwohnern kennt nur eine Sonntagszeitung (und nicht zwei), Deutschland mit 80 Millionen Einwohnern bloss drei überregionale und acht lokale (und nicht 114, wie es der Dichte der Deutschschweiz entspräche). Noch extremer ist allerdings die Dichte im Tessin: Dort erscheinen für 300 000 Einwohner zwei Sonntagsblätter, «il Mattino della domenica» und «il Caffè», beide gratis.

Den Sonntagszeitungen ging es trotz Zeitungskrise relativ gut, denn die Werbung bevorzugt den Sonntag, weil da die Leute länger Zeitung lesen und daher auch die Inserate besser beachten. Die beste ökonomische Position hatten seit jeher die drei Sonntagszeitungen, die in der Wirtschaftsmetropole Zürich erscheinen: «Sonntagsblick» (Ringier), «SonntagsZeitung» (Tamedia) und «NZZ am Sonntag» (NZZ-Gruppe). Etwas weniger bevorzugte Plätze besetzten die Blätter, die am Sonntag in Aarau, Basel, Luzern und Chur herauskamen.

Und genau da entstand jetzt Bewegung: Die Sonntagsausgabe der «Basler Zeitung» wurde vor Kurzem eingestellt, und ins Vakuum stiess die «SonntagsZeitung» der Tamedia. Und die NZZ-Gruppe lanciert demnächst in St. Gallen die «Ostschweiz am Sonntag». Die Tamedia und die NZZ-Gruppe waren also dabei, sich weitere Stücke vom Kuchen im Sonntagsmarkt abzuschneiden. Da war es nur logisch, dass die Umzingelten und Bedrohten reagierten: Die Verleger Peter Wanner von der «Nordwestschweiz» und Hanspeter Lebrument von der «Südostschweiz» legen nun ihre Sonntagsblätter zur «Schweiz am Sonntag» zusammen und schaffen einen grossen, wenn auch nicht zusammenhängenden Werbemarkt aus den Regionen Aargau, Solothurn, Baselland, Basel-Stadt, Graubünden, Glarus und Ausserschwyz.

Der Schritt ist logisch und sinnvoll. Die Kräfte werden gebündelt, die Zahl der Titel wird etwas verringert, aber trotzdem herrscht weiterhin Wettbewerb und Vielfalt. Allerdings sollten die Synergien und die zusätzlichen Werbeeinnahmen auch dazu genutzt werden, dass die Verleger wieder wirklich in den Journalismus investieren: In genügend gut dotierte Ressorts. In intensive, umfassende Recherchen, die nicht bloss in Schnellschüsse münden, sondern in gut erzählte, aufklärende Hintergrundgeschichten. In eine Politik-, Wirtschafts- und Kulturberichterstattung, die mit spannenden Interviews, mit präzisen Porträts, mit erhellenden Reportagen, mit gescheiten Analysen und mit klugen Kommentaren aufwartet. In eine Aktualitätsaufbereitung, die nicht nur den Sport vom Samstag, sondern auch die Politik vom Samstag kompetent wiedergibt, beispielsweise die Debatten an Parteitagen.

Dann, aber nur dann hätte sich die Neuaufstellung der Sonntagspresse gelohnt.