Die Schweizer Softwarebranche kehrt zu den Wachstumsraten von vor der Covid19-Pandemie zurück. Für das Jahr 2022 wird von einem branchenweiten Umsatzwachstum von 6,5 Prozent ausgegangen, wie der Wirtschaftsverband der ICT- und Online-Branche, Swico, mitteilt.
Die Wachstumserwartungen betreffen auch den Bedarf an Mitarbeitenden, die optimistische 5,7 Prozent betragen. «Entsprechend fällt der Fachkräftebedarf dringlich aus – und ruft nach neuen Ansätzen», wie es heisst. An flexiblen Arbeitsmodellen komme die Schweiz nicht vorbei.
Diese Prognosen gehen aus dem jüngsten Swiss Software Industry Survey (SSIS) des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern hervor, der zum zweiten Mal von Swico getragen wird. Im Mittelpunkt der diesjährigen Studie stehen die Auswirkungen des Fachkräftemangels auf die Branche sowie die Strategien zu deren Bewältigung.
Anders als im vergangenen Jahr, in dem die Pandemie die Prognosen trübte, rechnet die Softwarebranche für die Jahre 2022 und 2023 wieder mit einem selbstbewussten Mitarbeiterwachstum von rund 3,6 Prozentpunkten mehr als im Vorjahr.
Das Umsatzwachstum fällt 2022 mit den 6,5 Prozent erfreulich aus – es bedeutet 2,7 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. 2023 soll es sich auf 6,3 Prozent einpendeln.
Auch die Profitabilität (EBIT-Marge) fällt mit 9,4 Prozent im Jahr 2021 um 1,3 Prozentpunkte höher aus als im Vorjahr. Die EBITDA-Marge beträgt für den gleichen Zeitraum 11,3 Prozent. Die Fluktuationsrate bei den Mitarbeitenden in der Branche bleibt mit durchschnittlich 10,8 Prozent relativ stabil, nur 0,4 Prozentpunkte höher als im Vorjahr.
Zu vermelden gibt es ein geringeres Auslandsgeschäft, dafür mehr Aufträge vom Bund.
Im Jahr 2022 erwirtschaftete die Softwarebranche unverändert gering 6,1 Prozent ihres Umsatzes im Ausland. Über dem Branchendurchschnitt lagen dabei die Hersteller von Standardsoftware (12,2 Prozent) sowie die Individualsoftwarehersteller (7,2 Prozent). Der mit Abstand wichtigste Umsatzmarkt im Ausland bleibt Deutschland.
Besondere Bedeutung hat im Inland die öffentliche Hand. Die Schweizer Softwareindustrie erwirtschaftete im vergangenen Jahr 34,4 Prozent ihres Umsatzes mit Aufträgen der Verwaltung – bei Standardsoftware (64,4 Prozent) noch in höherem Masse als bei Individualsoftware (20,3). Mit einigem Abstand folgt die Finanzbranche mit 9,2 Prozent als zweitwichtigste Absatzbranche.
Was die Stellenbesetzung betrifft, benötigen Softwareunternehmen durchschnittlich 81 Tage, um eine offene Position zu besetzen. Das sei deutlich mehr als in anderen Branchen, wo die «Time-to-Fill» 50 Tage beträgt. Der Fachkräftemangel verlange daher «nach kreativen Ideen» mit flexibleren Arbeitsmodellen. Auch die Möglichkeit von Teilzeitarbeit zur Anbindung von Mitarbeitenden, die vor der Pensionierung stehen, und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Beruf und Ausbildung werden in der Analyse sehr häufig genannt.
«Diese Ergebnisse decken sich mit unseren Erkenntnissen», hält Judith Bellaiche, Geschäftsführerin von Swico, fest. «Unser Bestreben nach Flexibilisierung der Arbeit wird damit erneut bestätigt. Der Innovationsstandort Schweiz wird unter anderem von unserer Fähigkeit für ‚New Work‘ und angepasste Rahmenbedingungen abhängen.»
Bei der Rekrutierung setzen Schweizer Softwareunternehmen hauptsächlich auf Hochschulabsolventinnen und -absolventen und ganz gezielt auf Frauen.
Deutlich weniger Anstrengungen unternehmen sie, um Mitarbeitende aus dem Ausland anzuwerben. Auffallend sei, dass sie sich weder um Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger noch um Lernende besonders bemühen. Angesichts des tobenden «War for Talents» erstaunt dieses Ergebnis. Es deckt sich nicht mit den Appellen von Swico, vermehrt in Lehrstellen zu investieren und auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger zu berücksichtigen.