Snapchat galt lange als Sexting-Werkzeug, weil viele Nutzerinnen und Nutzer ihre Nacktfotos darauf publizierten. Nun entwickelt sich die App zur Nachrichtenquelle und will ebenfalls die Medienbranche aufmischen. Wie viele Nutzer Snapchat am Tag hat? Es sind 100 Millionen - aber intern, erklärte der Unternehmensgründer Evan Spiegel vergangenes Jahr auf einer Konferenz in den USA, denken sie bei Snapchat in einer anderen Einheit: Nutzer pro Stunde.
Das passt zu einem Netzwerk, das so schnell ist, dass man im wahrsten Sinne des Wortes etwas verpassen kann, wenn man blinzelt. Snapchat spielt mit dem Reiz der Flüchtigkeit, die seinen Inhalten etwas Echtes, Unmittelbares gibt, während andere Apps wie Instagram vielmehr die Plattform für die perfekte Inszenierung zu bieten scheinen, wie Spiegel Online berichtet.
Als es im Dezember im kalifornischen San Bernardino zu einem Terroranschlag kam, konnten Snapchat-Nutzer sich dank einer «Live Story» informieren. Das Feed mit dem Namen «California Shooting» beinhaltete etwa 30 kuratierte Bilder und Videos, alle hochgeladen von Nutzern der App. Viele machten davon Gebrauch, und Medienjournalisten waren fasziniert. «Fortune» etwa konstatierte, Snapchat entwickele sich zu einer «Macht im Bereich Echtzeit-Nachrichten».
Die Live-Story-Funktion verweist auf das journalistische Potenzial, das in der App steckt. Facebook mit seinen «Instant Articles» und Twitter mit seiner «Moments»-Funktion versuchen schon seit Längerem, ihre Netzwerke als Hauptnachrichtenquelle der Nutzer zu positionieren.
Snapchat ignoriert dabei ziemlich konsequent, was viele Menschen an anderen sozialen Netzwerken lieben. Da sind zum einen die Inhalte, die sich einer digitalen Archivierung entziehen: Private Nachrichten sind nach ein paar Sekunden verschwunden, Stories nach einem Tag. Speichern ist mogeln. Das Gegenüber bekommt sogar mit, wenn man einen Screenshot einer Nachricht macht.