Erst einige Tage nach den sexuellen Übergriffen in Köln berichteten öffentliche Medien über den Skandal. Deutsche Politiker werfen diesen nun vor, Informationen bewusst nicht veröffentlicht zu haben. Was ist dran an den Vorwürfen?
Die Bewahrung der Neutralität in der Herstellung von Öffentlichkeit ist ein Balanceakt. Denn jede Entscheidung in der Aufarbeitung medialer Inhalte ist politisch: Sei es die Wahl des Titels oder ob ein Thema überhaupt aufgegriffen wird. Von den öffentlichen Medien wird dabei erwartet, diesen Balanceakt stets perfekt zu meistern.
Glaubt man hochrangigen CSU-Politikern, sind die deutschen Staatsmedien im Silvesterskandal von Köln an dieser Aufgabe epochal gescheitert. So wirft Generalsekretär Andreas Scheuer in einem Interview mit dem «Deutschlandfunk» den Medien vor, nicht angemessen berichtet zu haben.
Zusätzlich Öl ins Feuer giesst sein Parteikollege und stellvertretender Fraktionschef Hans-Peter Friedrich. Laut dem «Spiegel» spricht er von einem «Skandal»: Es habe Tage gedauert habe, bis die Medien die Berichte in Köln aufgriffen.
Da es sich bei den Beschuldigten möglicherweise um Ausländer handelt, glaubt der ehemalige Bundesinnenminister, dass die Medien das Thema unter den Teppich kehren wollten. Mit einem «Schweigekartell und Nachrichtensperren lassen sich die Folgen der unkontrollierten Zuwanderung jedoch nicht lösen», äusserte er sich dazu im Bundestag.
Dem entgegen halten lässt sich die Tatsache, dass die Polizei am zweiten Januar noch von einer «friedlichen Silvesternacht» schrieb und erst zwei Tage später über das Ausmass der Attacken berichtete. Spätestens dann hätte man jedoch erwarten können, dass auch die öffentlichen Medien umfassend darüber berichten würden. Dies wurde jedoch verpasst. Kann es sein, dass in einem demokratischen Staat im Herzen Europas der Vorwurf der «Lügenpresse» tatsächlich gerechtfertigt ist?
Fakt ist: Der stellvertretenden ZDF-Chefredaktor Elmar Thevessen gab gemäss der «Welt» zu, dass es falsch gewesen sei, in der «heute»-Sendung am Montagabend nicht über die Übergriffe in Köln berichtet zu haben. «Die Nachrichtenlage war klar genug. Es war ein Versäumnis, dass die 19-Uhr-`heute`-Sendung die Vorfälle nicht wenigstens gemeldet hat», räumte er ein und sprach von einer «klaren Fehleinschätzung».
Ob es sich nun um einen Fehler oder eine bewusste Zurückhaltung handelt, bleibt wohl das Geheimnis der Journalisten. Die Diskussion darüber, ob öffentliche Medien politisch heikle Themen bewusst zurückhalten, ist aber definitiv entflammt und wird die Medienlandschaft wohl auch in den nächsten Wochen noch beschäftigen - gerade vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise und dem politischen Kurs der Merkel-Regierung.