Die Verleger kamen an der Jahrestagung in Interlaken nicht an den Themen Presseförderung und Gebührenfinanzierung beim Rundfunk vorbei. Urs Saxer, Professor und Rechtsanwalt, sprach im Hotel Victoria Jungfrau über die Legitimation des Service public. Und er kam zu keinem positiven Fazit, was die heutige Förderung der Presse betrifft.
Was er vom Abschnitt in der Verfassung hält, in dem der Rundfunk thematisiert wird, äusserte Saxer deutlich. «Um es gleich vorwegzunehmen: Diese Bestimmung ist hoffnungslos veraltet», sagte er in seinem Referat am Freitagnachmittag. Sie stammte aus dem Jahr 1982 und käme «aus einer grauen Vorzeit».
«Wegen der technischen Entwicklung nimmt der lineare Konsum von Rundfunkbeiträgen immer mehr ab», so Saxer. «Programme verlieren an Bedeutung, zunehmend ist das individualisierte Abrufen Trumpf.» Der Konsum erfordere eine crossmediale Strategie, die auch die SRG verfolge. Damit greife sie immer mehr in Bereiche über, die Domäne der privaten Medien seien.
Die traditionellen Begründungen des Service public seien heutzutage überholt, sagte Saxer. «Traditionellerweise wird unter Service public eine staatliche Verantwortung für eine Grundversorgung in einem bestimmten Bereich verstanden.» Der Service public werde mit Marktversagen begründet, was mindestens im Unterhaltungsbereich nicht zutreffe, da das Angebot in diesem Bereich gross sei.
Auch das Argument der Frequenzknappheit lehnte er ab. «Angesichts der Verkabelung, der Digitalisierung und der Verbreitung über Internet hat dieses Argument keine Bedeutung mehr», so Saxer. Einzig den Radiobereich schliesst er aus, soweit «terrestrische Frequenzen beansprucht werden».
Von den traditionellen Legitimationsmodellen hält Saxer deshalb nicht viel und bezeichnet sie als «Auslaufmodelle». Es sei eine wesentliche Schwäche, dass sie sich auf Radio und Fernsehen beziehen und von einer besonderen Rolle des Rundfunks ausgehen würden. Die digitale Herausforderung unterspüle die Legitimationsbasis des traditionellen Service public immer stärker.
Urs Saxer geht deshalb davon aus, dass der Service public «sicher nicht mehr» mit einer Mediengattung verknüpft ist. «Der Verbreitungskanal, die Mediengattung wird generell immer irrelevanter», sagte er. Da der Verbreitungskanal eine zunehmend geringere Rolle spiele, komme es auf die Inhalte an.
Ebenfalls mehr Bedeutung misst Saxer «angesichts der unüberblickbaren Verhältnissen im Netz» den qualitativen Kriterien, Transparenzerfordernissen und der publizistischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Service-public-Anbieter zu. Er stellt zudem infrage, dass diese Anbieter in Zukunft weiterhin das gesamte Portfolio anbieten sollen oder ob sie komplementär zu Privaten nur einzelne Bereiche abdecken könnten.
Denkbar ist für Saxer ein Dualismus von einem institutionellem Anbieter und einem Ausschreibungssystem, das sich an die privaten Medien richtet. Oder etwa auch mehrere institutionelle Träger. Die Frage, ob es den Service public in Zukunft noch brauche, liess er offen. «Es wird ihn auf jeden Fall noch geben, wenn auch noch nicht klar ist, in welcher Form», sagte er.