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Freitag
13.05.2016

Medien / Publizistik

«Ich habe den falschen Menschen vertraut»

«Ich habe den falschen Menschen vertraut»

Es ist gar nicht so lange her, da war Sepp Blatter oder «Monsieur, Le Président», wie er sich selber gerne nennt, bei den Mächtigen ein willkommener Gast.

Blatter diskutierte mit Wladimir Putin über die WM 2018 in Russland, flachste mit Barack Obama im Weissen Haus und feierte 2014 an der Seite von Angela Merkel in Rio den Weltmeistertitel der Deutschen.

Und jetzt Olten. Kein Blitzgewitter der Fotografen. Keine Bodyguards mit Knopf im Ohr, die die ehemalige Hoheit des Fussballs abschirmen und auch keine anderen Wichtigtuer, die sich in den Weg stellen. Nein, hier in Olten, wo der frühere Fifa-Präsident seine Memoiren «Sepp Blatter - Mission und Passion Fussball» präsentiert und sich den kritischen Fragen von Alt-Nationalrat Andreas Gross stellen soll, zeigt sich der Walliser erschreckend normal, ja fast etwas geerdet.

Auf dem Podium sitzt neben Gross und dem Sport-Journalisten Thomas Renggli, der das Buch geschrieben hat, ein 80-jähriger, eher klein gewachsener Mann, ganz im dunklen Tuch gekleidet, als käme er gerade von einer Beerdigung. Er ist von den Ereignissen rund um die fragwürdige Zahlung von 2 Millionen Franken an den ehemaligen Uefa-Präsidenten Michel Platini schwer gezeichnet.

Nur gut, dass das spärliche Publikum, das den Weg in die «Weltbild»-Zentrale gefunden hat - mit den Medienvertreter keine 30 Zuschauer -, von Anfang an auf Blatters Seite ist. Denn so taut der arg gebeutelte Walliser auf und kann den Abend unter Freunden fast ein bisschen geniessen.

Dazu passt auch, dass die kritischen Fragen von Gross eigentlich nur harmlose Stichworte sind. Und Blatter nutzt die Plattform, die man ihm gibt, um zuerst über die Gott und die Welt, seine Sicht der Dinge und dann vor allem über seine Verdienste für die Fifa zu reden.

Und selbst wenn man kein Fussballfan ist, muss man dem bauernschlauen Ex-Präsidenten Recht geben. Er hat die Fifa zu dem gemacht, was sie heute ist. Blatter: «Die Fifa hatte, als ich angefangen habe, einen Haufen Schulden und war alles andere als kreditwürdig», so der ehemalige Präsident, der als Marketing-Leiter beim Welt-Fussball-Verband angefangen hatte. «Ich habe das Haus mit einem Plus von 1,6 Milliarden Franken verlassen. Darf man so mit einem äusserst erfolgreichen Mann umgehen? Das habe ich nicht verdient!»

Sepp Blatter nutzt die Buchpräsentation auch, um immer wieder zu betonen, dass er von den in- und ausländischen Medien vorverurteilt wurde, «dabei habe ich mir strafrechtlich nichts zu Schulden kommen lassen. Mein einziger Fehler war, dass ich zu lange den falschen Leuten vertraut habe. Das kann man mir heute vorwerfen. Mehr nicht.»

Dem Publikum in Olten wird bald klar, dass Sepp Blatter den Rauswurf aus der Fifa noch nicht verdaut hat. Und so spricht er immer noch von «wir», wenn er die Fifa meint. Kein Wunder, fällt der Abschied nach 41 Jahren schwer und es wird wahrscheinlich noch einige Zeit brauchen, bis er diesen spektakulären Abgang verdaut hat.

Blatter hat seiner Meinung nach immer noch eine weisse Weste und will alles daran setzen, dass auch die Juristen des CAS, dem Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne, zu diesem Schluss kommen und seine sechsjährige Sperre aufheben. «Alles andere als ein Freispruch wäre lächerlich. Ich lege meine ganze Energie darin, meine Unschuld zu beweisen. Und das muss die Richter in Lausanne überzeugen. Wenn nicht, verliere ich den Glauben an diese Institution.»

Sepp Blatter hätte sich diesen Abstieg ersparen können, wenn er auf dem Höhepunkt seines Erfolgs, nach der Fussball-WM 2014 in Brasilien, zurückgetreten wäre. «Doch ich habe mich von den Herren der verschiedenen Gremien breitschlagen lassen weiterzumachen. Und das ist jetzt der Dank dafür. Ich habe mich in den letzten 41 Jahren immer in den Dienst der Fifa gestellt. Einen solchen Abgang habe ich nicht verdient!»

Das Publikum in Olten ist bewundernswert subjektiv. Und so gibt es dann nach Blatters Erläuterungen auch aus dem Publikum keine kritischen Fragen sondern nur verbale Rückendeckungen und viele Aufmunterungen, den Kampf gegen das CAS nicht einfach aufzugeben.

Bei aller Rückendeckung hat der Klein Report in Olten aber auch den Eindruck, dass die Zuschauer nicht auf jemanden einschlagen wollen, der schon am Boden liegt.