Wenn im Fussball der Schlusspfiff ertönt, kennt man normalerweise den Sieger.
Im Berufungsprozess gegen den Ex-Fifa-Präsidenten Sepp Blatter und den früheren Uefa-Obmann Michel Platini (im Zusammenhang mit einer Zwei-Millionen-Franken-Zahlung aus dem Jahre 2011) ist dies nicht der Fall.
Als das dreiköpfige Gericht in Muttenz am Donnerstagmittag die Verhandlung schloss, wurde kein Urteil gesprochen. Dieses ist erst für den 25. März um 10.00 Uhr angekündigt.
Auguren, die den Prozess vor Ort verfolgten und den Klein Report mit Informationen versorgten, fielen vor allem zwei Aspekte auf: Die Medienpräsenz am Starttag war riesig, wie der Klein Report berichtete.
Bis Sepp Blatter das Gerichtsgebäude betreten konnte, musste er sich durch ein Gewirr von Kamerastativen, Mikrofonen und Reporterinnen dribbeln, als wäre er Lionel Messi auf dem Weg durch den deutschen Strafraum.
Und: Die anklagende Instanz, Bundesanwalt Thomas Hildbrand, schöpfte seine Redezeit (insgesamt über fünf Stunden) so exzessiv aus, dass einer der Richter mehrmals einzunicken schien.
Fazit nach dreieinhalb Prozesstagen: Seit der dreiwöchigen Verhandlung vor dem Bundesstrafgericht im Juli 2022 in Bellinzona kamen keine neue Fakten auf den Tisch. Die Rekursverhandlung war eine Wiederholung des Spiels von vor zweieinhalb Jahren.
Für gewisse Aufregung sorgte vor allem Staatsanwalt Hildbrand. Er verlangte, einen kürzlich publizierten Artikel der französischen Zeitung «Le Monde» zu den Beweismitteln zu nehmen und den Autor des Artikels, den französischen Journalisten Remi Dupré, als Zeugen zu befragen. Dieser hatte geschrieben, dass die Zahlung von zwei Millionen von der Fifa an Platini laut französischen Untersuchungen womöglich in Zusammenhang mit einem TV-Vertrag stand.
Seine Quellen: Der Walliser Fussball-Napoleon Christian Constantin, der schon immer etwas neidisch aus Martigny in Richtung Visp (dem Wohnort von Sepp Blatter) blickt, sowie zwei anonyme Quellen, die von Szenenkennern der Fifa-Medienabteilung und der Entourage des jetzigen Präsidenten Gianni Infantino zugeordnet werden.
Dies wiederum brachte Blatters Anwalt Lorenz Erni auf die Palme. Der Journalist sei doch nicht der «Hilfssheriff der Bundesanwaltschaft». Diese sei offensichtlich verzweifelt. Auch Platinis Anwalt sagte, das Manöver zeige vor allem, wie verzweifelt der Staatsanwalt sei, wenn er einen Zeitungsartikel zu Hilfe nehmen müsse.
Das Gericht entschied, den Artikel zu den Akten zu nehmen. Auf die vom Staatsanwalt geforderte Befragung des Journalisten Dupré verzichtete er aber.
Wie das Urteil in rund drei Wochen ausfällt, wissen vorderhand nur die Richter. Doch zwei Punkte sprechen für die Bestätigung des Freispruchs: Neue Tatsachen kamen nicht zum Vorschein. Und das Gericht müsste sehr viel Kreativität entwickeln, nach dreieinhalb Tagen einen Entscheid umzukippen, der zuvor nach einem rund 20-tägigen Prozess gefällt wurde.
Dennoch: Die Angeklagten waren am Schluss der Verhandlung sichtlich erschöpft. Sepp Blatter verzichtete auf das Recht einer finalen Stellungnahme: «Ich kann nichts mehr sagen, ich bin völlig fertig.» Und Platini schob nach: «Auch ich äussere mich nicht mehr. Nur so viel: Ich bin voller Wut.»
Fest steht schon jetzt: Würden die Angeklagten in zweiter Instanz schuldig gesprochen, fände das Verfahren eine Fortsetzung vor dem Bundesgericht.
Es wäre aber nicht nur im Sinne von Platini und Blatter, dass diese Tragikomödie ein Ende findet. Wenn sich nämlich zwei staatliche Instanzen (das Bundesstrafgericht und die Bundesanwaltschaft) gegenseitig bekämpfen, hat vor allem jemand verloren: der Steuerzahler. Die Hochrechnung, was dieses zehnjährige Verfahren die öffentliche Hand gekostet hat, ist noch nicht gemacht.