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Dienstag
08.09.2020

Medien / Publizistik

Bei einer Familientragödie in Solingen hat eine Mutter offenbar fünf ihrer Kinder getötet. Ein sechster Junge hat überlebt. Die «Bild»-Zeitung hat in der Folge aus einem privaten Chat des Elfjährigen mit einem Schulfreund zitiert und unverpixelte Bilder von diesem gezeigt.

Das Internet reagiert mit einem Shitstorm.

Eine «Grenzverletzung», finden auch viele Kommentatoren in anderen Medien. Der Pressekodex mahnt zu «besonderer Zurückhaltung» bei der Recherche «gegenüber schutzbedürftigen Personen». Zu diesem Personenkreis gehören «Kinder und Jugendliche», aber auch Menschen, die «einer seelischen Extremsituation ausgesetzt sind».

Das sei sicher zutreffend für ein Kind, das soeben fünf Geschwister verloren hat. Beim Presserat, der über die Einhaltung des Pressekodex wacht, gingen deshalb bereits 50 Beschwerden wegen des Berichts ein. Um eine öffentliche Rüge dürfte das Boulevardblatt kaum herumkommen.

Es sei allerdings nicht so, dass man «Bild» einen solchen Regelverstoss nicht zutrauen würde. «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt, dessen Grenzverletzungen von Springer-Chef Mathias Döpfner regelmässig gedeckt werden, habe schon lange keinen Ruf mehr zu verlieren, meint die «Berliner-Zeitung».

Auch RTL, das sich mit der «Bild» online einen harten Kampf um die Vormachtstellung auf dem deutschen Boulevard liefert, hat mit einem unverpixelten Bild des Freundes über den Chat berichtet.

Inzwischen steht das unverpixelte Bild des zwölfjährigen Freundes nicht mehr auf bild.de. Der Bericht über die WhatsApp-Nachrichten wurde verändert. Nach Angaben eines Springer-Sprechers habe das aber nichts mit dem Shitstorm zu tun. Dort gibt man an, «Bild» habe Teile des nun zurückgezogenen Berichts von RTL «übernommen».

Auch dort ist der ursprüngliche RTL-Bericht nicht mehr zu finden. Ein Sendersprecher teilt mit, sein Haus bedauere, «dass in einer ersten Fassung direkt aus einer Text-Nachricht des Jungen zitiert wurde».