Mit der Story «´Falschsexuelle` im Klassenzimmer» hat es sich die «Schweizerzeit» mit der Wahrheit zu einfach gemacht. Das Magazin von Verlagsleiter und Ex-SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer hat unter anderem einen Quote verfälscht zitiert. Diskriminierend war der «Meinungsbeitrag» aber nicht.
«Der Sexualkundeunterricht in Schulen polarisiert», benennt der Schweizer Presserat gleich einleitend das heisse Eisen, über das er zu urteilen hatte. Wenn im Klassenzimmer über Sex geredet wird, prallt eine Domäne der Eltern besonders spürbar auf den staatlichen Lehrplan. Dass also mit meinungsstarken Wortmeldungen zu rechnen ist, überrascht nicht. Aus berufsethischer Sicht zur Debatte steht einzig, wie genau es die «Schweizerzeit» mit der handwerklichen Sorgfalt genommen hat.
Die «Entnormalisierung» von Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität sei «längst zum Mainstream der staatlich geförderten Sexualpädagogik» geworden, hiess es im vergangenen Juli in dem «Schweizerzeit»-Bericht, gegen den die Fachstelle für Aids- und Sexualfragen St. Gallen-Appenzell beim Schweizer Presserat protestierte.
Stein des Anstosses: Mit der Formulierung «hinter verschlossenen Schulzimmertüren findet radikale Gender-Indoktrination statt» zeichne der Artikel ein falsches Bild. Weil Lehrpersonen, Schulen und auf Wunsch auch die Eltern über die Inhalte des sexualpädagogischen Unterrichts informiert werden, kann im Auge des Presserats von «verschlossenen Türen» keine Rede sein: «Der Autor entwarf also das falsche Bild, wonach im Klassenzimmer etwas Ungehöriges oder Verbotenes geschehe.»
Die drastische Wortwahl «radikale Gender-Indoktrination», gegen die sich die Fachstelle ebenfalls beschwerte, lässt der Presserat «gerade noch» gelten. Die «Schweizerzeit» sei ein Meinungsblatt und die Story unter der Spitzmarke «Politiker, Schulbehörden und Lehrer müssen handeln» als «Meinungsbeitrag» aufgemacht. Zusammen mit Titel, Lead und Autorenzeile «weiss der Leser, was ihn erwartet».
Neben der Wahrheit der Aussage ging der «Schweizerzeit»-Journalist in einem anderen Fall auch zu leichtfertig mit der Auswahl der Information um. Durch Weglassung hat der Autor den Sinn eines Zitats verfremdet. Diskriminierend war der Beitrag aus Sicht des Presserats hingegen nicht.