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Freitag
16.06.2017

Medien / Publizistik

Journalisten dürfen Rechercheergebnisse nur dann unterschlagen, wenn dadurch die Wahrheit nicht verfälscht wird: Der Schweizer Presserat hat bei der Untersuchung eines Spital-Beitrags von «Le Matin» eine «mangelhafte Recherche» und eine Verletzung der Wahrheitspflicht festgestellt.

Das Lausanner Universitätsspital hatte gegenüber dem Autoren des Tamedia-Blatts erklärt, sich aus Gründen der ärztlichen Schweigepflicht nicht zum Fall einer fürsorgerisch im psychiatrischen Spital von Cery untergebrachten Person, eines früheren Arztes und Politikers im Kanton Waadt, äussern zu können, wie das Kontrollorgan am Donnerstag in der ausführlichen Stellungnahme schreibt.

Die betroffene Person war gegen ihren Willen eingewiesen worden und daraufhin an die Zeitung gelangt. Diese widmete dem Fall zwei Artikel. Das Spital hatte dem Journalisten nahegelegt, sich an das Friedensrichteramt zu wenden, das die Einweisung entschieden hatte. 

Der Journalist beherzigte jedoch weder diese Empfehlung, noch suchte er im Internet nach den entsprechenden Informationen, die leicht auffindbar gewesen wären. Die Kriterien, nach denen eine Einweisung zulässig ist, hätte er im Artikel nennen müssen, meint der Rat. 

Genau so wenig erwähnt der «Le Matin»-Autor das Arztgeheimnis, an welches das Universitätsspital gebunden war, noch dessen Hinweis, dass die Weigerung der internierten Person, ihren eigenen Zustand zu akzeptieren, Teil des Krankheitsbildes sein könnte.

Der Presserat gesteht den Journalisten zwar zu, aus den Informationen, die sie bei einer Recherche sammeln, auswählen zu dürfen. Jedoch nicht dann, wenn die Auslassungen die Wahrheit verfälschen. 

In einem zweiten Punkt kam «Le Matin» dagegen ungeschoren davon. Das Lausanner Spital hatte der Zeitung auch vorgeworfen, die Identität der internierten Person sowie deren Diagnose preisgegeben zu haben. Diese Kritik war aus Sicht des Rats nicht gerechtfertigt, weil die betroffene Person ihre Einwilligung gegeben hatte und zudem auch anwaltlich vertreten war.