Berührungsängste beseitigen und den Nutzen der Digitalisierung für den Menschen sichtbar machen: Unter dieser Maxime eröffnete Bundesratspräsidentin Doris Leuthard am Dienstagmorgen am Zürcher Hauptbahnhof den Schweizer Digitaltag, initiiert von Digitalswitzerland.
Die 40 Unternehmen, welche die Standortinitiative finanziell tragen, nutzten den «ersten Digitaltag der Schweiz» ganz nebenbei auch für die ganz grosse PR in eigener Sache.
Ein Blick in das Sonderheft, das Ringier im Vorfeld des Schweizer Digitaltags publizierte, untermalt den dualen Charakter – zwischen Innovation und PR – der Veranstaltung: So lag die redaktionelle Verantwortung für das Extra-Heft bei Fabian Zürcher, dem Leiter des «Brand Studios» von Ringier, das sich auf Werbeformate wie Native Advertising spezialisiert.
Zwischen Beiträgen von «Blick»-Politikchefin Sermîn Faki oder dem ehemaligen Ringier-Chefautor Peter Hossli finden sich auch mehrseitige PR-Texte, die «in Kooperation» mit BMW, ABB oder der Schweizerischen Post abgedruckt wurden. Die Partnerunternehmen von Digitalswitzerland sind auch diejenigen, die im Sonderheft prominent für sich selber werben: So besetzen Coop, Migros, SBB, UBS, Post, Mobiliar, ABB oder BMW die rechtsliegenden Werbeanzeigen.
Ebenfalls Teil von Digitalswitzerland ist das Branchenportal persönlich.com, das dementsprechend neben den Ringier-Publikationen so etwas wie ein weiteres offizielles Sprachrohr ist. Dazu passt, dass «Persönlich» am Digitaltag Doris Leuthard interviewte und den Beitrag sogleich als «Breaking News» veröffentlichte. Einmal mehr betrieb die Medienministerin hemmungslos Werbung für die SRG und behauptete, dass sich das staatsnahe Unternehmen nicht ausdehne, das sei Unsinn. Die Verleger (welche?) sollten die Angebote der SRG endlich annehmen.
Ein sorgenvolles Fazit des Klein Reports: Erschreckend zu sehen, was passiert, wenn Journalismus nur noch Teil einer verpolitisierten PR-Maschinerie ist. Denn: «Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört.» Wo Hanns Joachim Friedrichs (1927 – 1995) recht hatte, hatte er recht. Der bekannte deutsche Journalist war zuletzt Moderator der Nachrichtensendung Tagesthemen.
Neben grossen Selbstdarstellungsaktionen lief die PR-Maschinerie am Digitaltag nonstop auf mehreren SRF-Kanälen. Im Zürcher Hauptbahnhof diskutierten Politik, Wirtschaft und Wissenschaft am Dienstag aber auch über Ängste und Sorgen der Bevölkerung, die mit der Digitalisierung einhergehen. Die «Sensibilisierungsrunde» mit Bundesrat Johann Schneider-Ammann, Lino Guzzella, Präsident der ETH Zürich, Ulrich Spiesshofer, CEO der ABB-Gruppe und dem Neurowissenschaftler und Start-up-Unternehmer Pascal Kaufmann versuchte, diese Ängste teilweise zu nehmen.
Schneider-Ammann formulierte, was wirklich interessierte: Die Sorge vieler Menschen, mit der Digitalisierung ihren Job zu verlieren. Es werde «keinen radikalen Umbau geben, ohne dass man sich mit den Menschen beschäftigt, die davon betroffen sind», versprach der Volkswirtschaftsminister. Auch Menschen, die mit ihren Händen arbeiten – und dadurch potentiell mit Maschinen in Konkurrenz treten – sollen Teil der digitalisierten Zukunft sein.
Ob ETH-Präsident Guzzella, ABB-CEO Spiesshofer oder Bundesrat Schneider-Ammann, in einem Punkt waren sie sich einig: Die Digitalisierung bietet auch zahlreiche Chancen, die es zu nutzen gilt. «Es gibt keine Wahl, ob wir bei der Digitalisierung mitmachen wollen oder nicht. Der Wandel kommt so oder so», befand Lino Guzzella. Deshalb gehe es darum, das Beste aus der Situation zu machen.
Dazu gehöre unter anderem eine nähere Zusammenarbeit zwischen Industrie und Ausbildung, wie es Ulrich Spiesshofer forderte. Guzzella erwähnte zudem, dass der technologische Gedanke nicht nur in Hochschulen, sondern bereits im Grundstufenalter besser vermittelt werden müsse. Zudem sollen auch Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund besser in die Digitalisierung integriert werden, damit potentielle Talente besser ausgeschöpft werden.
«Wir haben eine Nasenlänge Vorsprung und müssen diese Nasenlänge verteidigen», sagte Johann Schneider-Ammannn.