Die «Schweiz am Sonntag» hat den Ethikkodex mit einem Bericht über den Rohstoffmulti Glencore und seine Kritiker nicht verletzt. Nur der personalisierende Titel war dem Schweizer Presserat eine Spur zu reisserisch.
Die Story erschien unter dem Titel «Der Bösewicht ist weg» Ende August 2016 in der heutigen «Schweiz am Wochenende». Darin beschrieb die Wochenendzeitung der AZ Medien, welche Massnahmen der Rohstoffkonzern ergriffen hatte, nachdem Kritik an den Zuständen in den kolumbianischen Kohleminen laut geworden war.
Glencore zeige sich nun transparent und überrumpele damit die Kritiker, hiess es in dem Artikel. Die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien (ASK) ziehe nach zwei Reisen nach Kolumbien trotzdem eine negative Bilanz. Der Journalist kam hingegen selber zum Schluss, Glencores Verhalten in Kolumbien sei zum Teil zwar kritisierbar, mangelnde Transparenz könne man dem Konzern jedoch «für einmal nicht vorwerfen».
Für die ASK, die sich gegen den Bericht beim Presserat beschwerte, hat die «Schweiz am Sonntag» ihre Hauptargumente unterschlagen. Zudem habe der Bericht einseitig über vermeintliche Fortschritte bei Indio-Gemeinden berichtet, die durch den Kohleabbau betroffen sind. Die ASK habe ihre Aussagen auch nicht autorisieren können.
Der Presserat hat an Berichterstattung und Rechercheprozess der «Schweiz am Sonntag» wenig auszusetzen. Der Autor habe die ASK im Voraus über den geplanten Artikel informiert und präzise Fragen gestellt. Auch die Regeln zu Recherchegesprächen habe er nicht verletzt.
Nur wegen des reisserischen Titels übt der Rat leise Kritik am AZ-Blatt. Gegenüber einem Video, in dem Jairo, ein indigener Dorfvorsteher, aussagen soll, die Situation habe sich wesentlich verbessert, hielt die ASK entgegen, sie habe «ganz andere, tagesaktuelle Infos», die Probleme mit der Wasserversorgung seien in keiner Weise gelöst.
«Es wäre sicher journalistisch ergiebiger gewesen, wenn der Autor ausführlicher auf dieses Thema eingegangen wäre, statt den Konflikt immer mehr zu personalisieren (Titel: ‚Der Bösewicht ist weg’)», mahnt der Rat die «Schweiz am Wochenende». Den ethischen Berufskodex verletzt habe der Journalist damit aber nicht.
«Beim Kernthema des Artikels - der Frage, ob sich die Lage in den Indio-Gebieten wirklich verbessert hat - sind sich Autor und ASK nicht einig, es steht Aussage gegen Aussage. Der Autor hat jedoch die Haltung beider Seiten korrekt dargestellt und keine wichtigen Informationen unterschlagen», heisst es in der Stellungnahme, die der Presserat am Dienstag veröffentlicht hat.
Gleichzeitig seien die Journalisten auch nicht verpflichtet, «beide Seiten zu jedem Punkt zu Wort kommen zu lassen», präzisierte der Presserat, und lehnte die Beschwerde ab.