Roger Schawinski verabschiedet sich am Montag in die Sommerpause - mehrere Wochen zu spät, wie ein Blick auf die Einschaltquoten zeigt. Ein Kommentar von Matthias Engel.
Schalteten am 21. Mai noch 156 000 Zuschauer bei «Schawinski» ein (21,2 Prozent Marktanteil), brachen die Quoten seit Beginn der Fussball-Europameisterschaft dramatisch ein: Am 4. Juni sahen 119 000 Zuschauer (14,5 Prozent) Schawinskis Gespräch mit Bergsteiger Ueli Steck, am 11. Juni verfolgten 95 000 Zuschauer (11,8 Prozent) eine Eurorettungs-Diskussion und am 18. Juni schalteten nur gerade 72 000 Zuschauer (9,3 Prozent) ein. Dabei war doch mit Fernsehwanderer Nik Hartmann einer der wenigen Quotengaranten des Schweizer Radio und Fernsehens zu Gast.
Roger Schawinski selber hat es verpasst, nach seiner Rückkehr zu seinen Leutschenbach-Wurzeln ein Quotengarant zu werden: Im Schnitt verfolgten 122 600 Zuschauer seine 41 Sendungen, was einem Marktanteil von 17,2 Prozent entspricht. Am meisten interessierte ein Treffen mit einem alten Bekannten während der Hildebrand-Affäre: Bei Schawinskis spätabendlichem Rededuell mit «Weltwoche»-Chef Roger Köppel schauten 260 000 Personen zu, was der Talkshow 33,6 Prozent Marktanteil bescherte. Ansonsten übertraf «Schawinski» die 20-Prozent-Marke - abgesehen von der Kurt-Felix-Gedenksendung - nur gerade fünfmal: Bei den Besuchen von Kabarettist Viktor Giacobbo (27,0 Prozent), SVP-Übervater Christoph Blocher (24,4), SVP-Chefideologe Christoph Mörgeli (23,6), Kabarettist Mike Müller (23,5) und SVP-Parteipräsident Toni Brunner (22,5).
Überhaupt fällt bei «Schawinski» auf: Die Gästewahl ist alles andere als mutig, ein Grossteil der Interviewten ist altbekannt, viele von ihnen gehören längst zum Inventar der Tele-Züri-Diskussionssendungen. In 22 Sendungen sassen heutige oder frühere Parlamentsangehörige auf dem «Schawinski»-Stuhl - fast alle von ihnen stammten aus dem Grossraum Zürich. GLP-Gründer Martin Bäumle und Christoph Mörgeli erhielten mit jeweils zwei Besuchen mehr Sendeminuten als sämtliche Parlamentarier aus den Westschweizer Kantonen (die zweisprachigen Kantone Bern und Wallis grosszügig eingerechnet).
Wenn Roger Schawinski am Montag zum 42. Mal zur «ersten Talkshow der Woche» lädt, wird infolgedessen nicht nur der Standardspruch zu Sendungsbeginn ein Déjà-vu-Gefühl auslösen. Zu sehr laufen die wöchentlichen Männergespräche - in 41 Sendungen waren mit Karin Keller-Sutter, Christa Markwalder, Doris Fiala und Anita Fetz gerade mal vier Frauen zu Gast - nach demselben Muster ab: Ein paar Fragen zur Biografie, ein wenig Small Talk über Parteipolitik und allenfalls Wirtschaftsthemen und jede Menge Einblendungen von zumeist sehr alten Interviewaussagen. Letztere Methode soll wohl investigativ sein, mündet aber bei Männern meist in die Verteidigungsstrategie, dass die Aussagen von anno dazumal aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Frauen haben es vermeintlich besser: Oftmals scheint Roger Schawinski mehr daran interessiert zu sein, warum sie in den vergangenen Jahren nebst der politischen Ausrichtung auch den Kleidungsstil angepasst haben. Dass sich mit seinem solchen Konzept im 21. Jahrhundert nicht mehr Quote machen lässt, verwundert wohl nur den Gastgeber.