Am Montagvormittag regnete es Bindfäden. Das nach einem Traumsonntag mit einem bei wunderbaren Wetterverhältnissen stattfindenden Kinderumzug beim «Sächsilüütä». Und dann kam alles anders.
Die Wettervorhersage für Montag war optimistisch. Ab 14.00 Uhr sicher eine bis zwei Stunden Sonnenschein und Wolken. Danach ein unangenehmer Wind. Aber allemal besser als Bindfäden-Regen. Ein unangenehmer Wind?
Die Faszination fürs Sechseläuten hat Tradition. Egal was für Wetter: Die Strassen sind gesäumt mit Zürchern und Auswärtigen, die sich den Zug der Zünfte trotz TV-Live-Übertragung nicht entgehen lassen mochten. Gastkanton dieses Jahr ist übrigens der Halbkanton Appenzell Ausserrhoden.
In den Zünften geben sich Promis jeder Couleur ein Stelldichein. Wer in Zürich WER ist und auch sein will, ist Mitglied einer Zunft. Die Edelste nennt sich «Gesellschaft zur Constaffel».
Deren Zunft-Sitz ist der vornehme «Rüden» am Limmatquai. Ein Teil der Zürcher Hochfinanz gehört ihr ebenso an wie diverse CEOs und Ex-Chefs grosser Konzerne.
Einer der Grossen der Zunft, Star-Headhunter Egon P. S. Zehnder, Gründer der gleichnamigen Personalberatung, der vor drei Jahren mit 91 starb, war selbst mit 90 noch am Umzug dabei.
Andere bekannte Constaffler sind Ex-Globus- und Flughafen-Zürich-Chef Thomas Kern und dessen Schwager Philippe C. Merk, Ex-Konzernchef der legendären Luxus-Uhrenmarke Audemars Piguet. Unter anderen als Ehrengast mit dabei: Armee-Chef Thomas Süssli in vollem «Ornat».
Viel Aufmerksamkeit freilich erregen die Dutzenden von Promis, die der Einladung der Zünfte gerne nachkommen und sich im Pulk der «Zeufter» gerne mit Blumen von schönen Damen am Strassenrand beglücken lassen.
Dem legendären Bob-Olympiasieger, Multi-Millionär und Schauspieler Hans «Hausi» Leutenegger reicht eine Begleitperson nicht, um all der überreichten Blumen «Herr» zu werden. «Hausi» führte dafür gleich ein Leiterwägeli mit.
Der Zug der Zünfte ab 15.00 Uhr gilt zumindest für das Publikum als Höhepunkt des Tages. Die 3'500 Zunft-Mitglieder lieben den Kontakt mit dem Volk und freuen sich, wenn sie beklatscht werden und wenn der Blumenstrauss so gross ist, dass er kaum zu halten ist. Das zeigt die Popularität der Protagonisten.
Die gebürtigen Walliser Rainer Maria Salzgeber und Sängerin Sina etwa marschieren ebenso mit wie Stadtrat Filippo Leutenegger oder Komödiant René Rindlisbacher. Dass Zoo-Direktor Severin Dressen bei der Kämbel-Zunft mitläuft, entbehrt nicht einer gewissen Logik; die mitlaufenden Kamele als Maskottchen der Zunft stammen aus dem Zürcher Zoo.
Das Verbrennen eines Bööggs vor der Lindenhofmauer am Abhang gegen die Limmat fand schon im 18. Jahrhundert statt. Seit 1902 wird die Schneemann-Figur in der Mitte des Sechseläutenplatzes verbrannt. Bis zum Jahr 1948 hiess dieser noch Tonhalleplatz und die grosse Freifläche am Bellevue vor dem Opernhaus war eine Wiese.
Ein Blick auf die Brennzeiten seit dem Jahr 2000 zeigt: Mit Abstand die längste Brenndauer hatte der Böögg letztes Jahr mit 57 Minuten. 5 Minuten und 42 Sekunden betrug im Jahr 2003 die kürzeste Brennzeit.
Und dieses Jahr? Mit Spannung fieberte man beim traditionellen Bööggen-Anlass der Kommunikationsagentur Publicis an der Stadelhoferstrasse der Explosion des Bööggs entgegen. Die Stimmung war ausgelassen und wie jedes Jahr gaben die Gäste für einen Wettbewerb ihre Zeit an, wann der Kopf der Pappnase explodieren werde.
Dann fegte der heftige Wind auch ins Zelt der Publicis. Schön geschützt, mit gutem Essen und Getränken versorgt, harrte die Gesellschaft der Dinge, die da kommen könnten: Und kurz nach 18 Uhr kam die Durchsage, der Böögg wird nicht angezündet, es bläst ein zu starker Wind.
Der neue CEO der Publicis Schweiz, Thomas Städeli, schritt mit dem Wettbewerbsteam zur Tat und man zog drei Gewinner. Es war kaum zu glauben: Bea Kutter belegte Platz 3. Kurz darauf durfte Aline Nyffenegger jubeln und der Hauptgewinn ging an Kai Hannwacker. Und alle drei arbeiten bei Do il + Garden Migros. Es war der reine Zufall. Jürg Thomann, Head of Digital von Baur au Lac Vins, der bekannte Musik- und Unterhaltungsjournalist H. Elias Fröhlich, Ursula Klein und Zora Schaad vom Schauspielhaus applaudierten am Gewinner-Tisch.
Städeli, selber Mitglied der Zunft zum Weggen und Zunftkleidung tragend, erklärte in einer äusserst launigen Rede den historisch noch nie dagewesenen Sachverhalt.
Er selber musste nach der Begrüssung und Beantwortung von Fragen der Publicis-Gäste bald auch weiter in den «Weissen Wind», wo seine Zunft traditionell weitere Gäste empfing und danach selber auf eine Reise durch die Zürcher Altstadt ging, um die anderen Zunfthäuser zu besuchen.