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Montag
16.11.2009

Medien / Publizistik

«Entscheidet Schönheit Wahlen?», fragt Politologin Regula Stämpfli. «Ja», meint Georg Lutz, Projektleiter der vom Nationalfonds subventionierten Wahlstudie «Selects». Gemäss Lutz werde Attraktivität gewählt, insbesondere das Gesicht eines Menschen, wie es sich auf Plakaten und Prospekten präsentiert. «Miss-Wahlen für Mist-Studien», belegt Politologin Stämpfli in ihrer Kolumne für den Klein Report:

Schöne Nachrichten für die Werbewirtschaft: Plakate entscheiden gemäss Nationalfonds-Wahlstudie offenbar die Wahlen. Nicht nur das: Schöne Menschen auf schönen Plakaten seien sogar wahlentscheidend. Also aufgepasst, liebe Werberinnen und Politiker: Macht schöne Fotos auf schönen Plakaten, dann habt ihr nicht nur ein schön dickes Portemonnaie, sondern auch ein schönes Parlament!

Ein Blick ins real existierende Parlament befremdet indessen: Wenn tatsächlich Wahlentscheidungen aufgrund von Attraktivität gefällt werden, dann finden entweder die meisten Wählerinnen und Wähler unattraktive Politiker attraktiv. Oder aber die Studie - mit Hunderttausenden von Steuerfranken finanziert - weist erhebliche Mängel auf. Schon in den 1970er Jahren wurde behauptet, dass Männer dank guten Aussehens kompetenter wirken, während seit den 1990er Jahren schönere Frauen öfters Karriere machen sollen. Beides stimmt nicht. Kompetente Männer sind ebenso Mangelware wie schöne Männer. Und beide Kategorien weisen nicht die geringste Korrelation auf, siehe Carl Hirschmann... Auch Karrierefrauen sind nach wie vor weder überdurchschnittlich schön noch besonders häufig an der Zahl.

Die US-amerikanischen Wahlforscher Scott Armstrong und Andreas Graefe zeigen, wie die Kombination von Karriere, Schule sowie Militär, Familie, Biographie und besondere Eigenschaften wie persönliches Charisma viel mehr Gewicht haben als ein einzelnes Merkmal wie Partei, Schönheit, Zivilstand etc. Auf die Werbung übersetzt: Eine Miss Schweiz macht noch kein gutes Plakat und garantiert auch nicht automatisch einen Parlamentssitz. Gute Wahlkampagnen setzen auf eine Kombination der genannten Faktoren, Bilder und Zusammenhänge.

Auf den Nationalfonds übersetzt: Wenn weiterhin soviel Forschungsgeld in von Nationalfonds-Studienleitern vermessenen Körbchengrössen hübscher Parlamentarierinnen gesteckt wird anstatt in tatsächliche Forschung, erstaunt es nicht, dass die Schweiz im internationalen Wissenschaftskontext oft mit einem Lächeln quittiert wird. Wenn zwei FDP-Frauen für die Berner Grossratswahlen 2009 mit dem Slogan «4 Brüste für ein Halleluja» werben (siehe «Blick am Abend» vom 09.11.2009), dann ist es höchste Zeit, bei Nationalfonds, Studienleitungen, Universitäten und öffentlich-rechtlichem Rundfunk für echte Forschung, Wissenschaft, vielleicht sogar für Klugheit zu werben. Wie wäre es mit einer Kampagne à la «Nicht immer ist Denken schön, aber Nicht-Denken dafür umso hässlicher»?