In Österreich taumelt die türkis-grüne Koalition. Kanzler Sebastian Kurz «ist angezählt», kommentieren verschiedene Medien. Der Grund: Es gab Hausdurchsuchungen in der ÖVP-Zentrale in Wien, im Kanzleramt und im Finanzministerium sowie auch bei Vertrauten des Kanzlers. Im Raum steht der Vorwurf der Untreue und Beihilfe zur Bestechlichkeit.
Das Umfeld von Sebastian Kurz soll ab 2016 im Zuge des «Projekts Ballhausplatz» Umfragen bestellt und bei der Mediengruppe Österreich platziert und aus Mitteln des Finanzministeriums bezahlt haben. Das «Projekt Ballhausplatz» ist jene Wahlkampfstrategie, die den damaligen ÖVP-Chef Sebastian Kurz 2017 ins Kanzleramt verhalf.
Das heutige Regierungsoberhaupt höchstpersönlich soll eine wohlwollende Berichterstattung im Gegenzug für das Platzieren von Inseraten bei der Tageszeitung «Österreich/OE24» eingefordert haben.
Bei den Absprachen soll es um Inserate im Wert von 1,3 Millionen Euro gegangen sein. Konkret sollten die Ergebnisse einer durch das österreichische Finanzministerium finanzierten Umfrage publiziert werden, die die Wahlchancen des Kanzlers in ein gutes Licht rücken sollten. Die Staatsanwaltschaft in Wien hat einen 106-seitigen Bericht zur Sache angelegt. Darin sind auch Chat-Verläufe zwischen Kurz, seinem engen Berater Thomas Schmid und den involvierten Medienschaffenden inbegriffen.
Bundeskanzler Sebastian Kurz hat gestern Mittwochabend in der Nachrichtensendung «ZiB2» im ORF zu den Vorwürfen der Bestechlichkeit und Untreue als Beteiligter Stellung genommen. Es sei «befremdlich», dass er «wieder einmal» aus den Medien von Ermittlungen gegen ihn erfahren habe. In keiner der vielen SMS, die in der Anordnung zur Hausdurchsuchung zitiert werden, gebe es «von mir irgendeinen Auftrag oder irgendein Ersuchen», sagte der Kanzler. Alle genannten Vorwürfe würden sich gegen Mitarbeiter des Finanzministeriums richten.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKStA vermutet, dass dieses Umfeld von Kurz 2016 Umfragen in der Tageszeitung «Österreich» in Auftrag gegeben hat, die den damaligen internen Konkurrenten Reinhold Mitterlehner schlecht und Kurz gut aussehen liessen. Die Umfragen sollen über Scheinrechnungen über das Finanzministerium abgerechnet worden sein.
Kurz zeigt Unverständnis für die Argumentation der WKStA, die ihn als Profiteur dieses Systems ausmacht: 2016 hätte es im selben Zeitraum 30 Umfragen in unterschiedlichen Medien und mit ähnlichen Ergebnissen gegeben. «Es hat nach dem Jahr 2016 zwei Wahlen gegeben, beide haben wir gewonnen», sagte Kurz. Die Ergebnisse der Meinungsforscher seien also treffsicher gewesen.
Die bereits zweite Politposse in der Amtszeit von Kanzler Kurz nach dem Auffliegen der «Ibiza»-Affäre geht weiter. Auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat eine Stellungnahme angekündigt. Diese «Ibiza»-Story dürfte auch Ausgangspunkt für das neue Politbeben sein. Im Untersuchungsausschuss zur Insel-Posse hat die früheren FPÖ-Aussenministerin Karin Kneissl gesagt, sie habe das Inseratenvolumen im Ministerium massiv reduziert. Das führte jetzt zum Verdacht, ob die Kanzlerpartei «eine Art Abtausch gemacht» hat. Für öffentliche Inserate soll es wohlwollende Berichterstattung und Platzierungen des Kanzlers in den jeweiligen Medien gegeben haben.
Es gilt die Unschuldsvermutung.