Im Ping-Pong-Schlagabtausch mit Matthias Hagemann, VR-Präsident von Radio Basilisk, wehrt sich Giuseppe Scaglione gegen den Vorwurf, dass er jedes Jahr, pünktlich zum Radio Day, eine Breitseite gegen die Branche fahren würde.
Auf Hagemanns Replik antwortet Scaglione wiederum mit einer Duplik: «Das war mein erster Artikel zu diesem Thema überhaupt. Dass dieser bei Herrn Hagemann eine derart harsche Reaktion auslöst, zeigt mir, dass ich mit meiner Kritik ins Schwarze getroffen habe. Und das ist gut so.»
So habe er auch nicht beim letzten Radio Day, wie von Matthias Hagemann behauptet, «den baldigen Tod der Privatradios vorausgesagt», so Scaglione in seiner Antwort im Klein Report. «Vielmehr habe ich in einem Interview mit dem Branchenportal persönlich.com vor dem Sendestart meiner Streaming-Plattform my105 im Jahr 2015 gesagt, das traditionelle Lokalradio sei für mich ein Auslaufmodell. Ich bezog mich dabei auf die geografische Einschränkung eines Mediums im Internetzeitalter. Im Übrigen: Die Branche hat ja selber beschlossen, UKW bis spätestens 2024 abzuschalten. Das wäre dann das definitive Ende des heutigen Lokalradios, denn die DAB-Verbreitung ist nicht mehr lokal begrenzt.»
Giuseppe Scaglione weiter: «Kurzum: Hagemann beginnt seine Replik gleich mit zwei falschen Unterstellungen – wohl in der Absicht, einen unliebsamen Kritiker gleich zweimal stillzulegen.
Dass Hagemann mit dem momentanen finanziellen Zustand der Radiobranche zufrieden ist, mag für ihn ja beruhigend sein. Trotzdem schrieb die ´Handelszeitung` nach dem Konkurs von Radio 105 im Jahr 2014, dass die ´Schweizer Privatradios um die Finanzierung kämpfen` und ´gut die Hälfte der Veranstalter keine genügende Rentabilität erreiche`. Erst vor wenigen Wochen erschien bei Horizont ein Artikel mit dem Titel ´Privatradios sägen an ihrer Daseinsberechtigung`. Darin wurde auf eine Studie der Firma Publicom Bezug genommen, wonach die Privatradios in den letzten Jahren ihre Informationsleistungen zurückgefahren haben. Das teuerste bei einem Radio ist die Information. Im Artikel hiess es: ´Das Ausmass des Info-Abbaus bei den Deutschschweizer Privatradios hat ein enormes Ausmass angenommen. Es ist dramatischer, als Publicom es in seinem zurückhaltend formulierten Studientext ahnen lässt.`
Rosig ist das alles nicht und auch kein Grund, sich auf die Schulter zu klopfen.
Und es ist erst recht kein Grund, um sich über die (momentanen) Verluste der Streaming-Giganten wie Spotify oder Pandora zu freuen. Ihr Geschäftsmodell geht nur deshalb noch nicht auf, weil sie sehr hohe Lizenzgebühren für die Musikrechte an die Plattenfirmen zu zahlen haben. Die Nutzer sind jedoch schon bei ihnen. Sich mit den Verlusten dieser Player zu trösten, ist nichts anderes, als den Kopf in den Sand zu stecken. Auch der Autobauer Tesla schreibt Verluste. Trotzdem zweifelt niemand daran, dass dem Elektroauto die Zukunft gehört.
Über das Geschäftsmodell von my105 braucht sich Matthias Hagemann keine Sorgen zu machen: Wir hatten bereits im ersten Jahr den Break-Even erreicht – für ein Start-Up sehr erfreulich und eher ungewöhnlich. Zudem nehmen unsere Hörerzahlen in einem Ausmass und Tempo zu, wie ich es zuvor in 17 Jahren Privatradio noch nie erlebt habe.
Da Matthias Hagemann mit seinem Sender Basilisk ja schon seit einiger Zeit in grossen Teilen der Deutschschweiz auf DAB sendet und von diesem Geschäftsmodell überzeugt ist, soll er doch mal darlegen, wie viel Werbeumsatz er bereits mit DAB generiert hat und inwieweit sich die DAB-Verbreitung bisher auf seine Hörerzahlen ausgewirkt haben soll. Durch die DAB-Verbreitung hat Hagemann sein Verbreitungsgebiet massiv ausgeweitet und müsste das auch bei den Hörerzahlen spüren. Dies ist jedoch nicht der Fall: Die Basilisk-Hörerzahlen sind laut Mediapulse leicht rückläufig (oder verharren an Ort).
Auch wenn er behauptet, die Branche sei bezüglich neuer Werbeformen wie Programmatic Audio vorbereitet (was ich eher bezweifle), ändert dies nichts an meiner Feststellung, dass dieses Thema am Radio Day nicht behandelt wurde. Genau dies, und nicht mehr oder weniger, habe ich in meinem Artikel geschrieben. Wahrscheinlich verstehen Matthias Hagemann und ich unter Targetting und Programmatic Audio aber auch nicht dasselbe. Bei UKW und DAB hat man ja nur ein One-Way-Signal – also kein messbares Rücksignal wie bei IP-Verbindungen. Man weiss somit nie, wer eigentlich gerade zuhört. Wie man da – aufgrund von Hörerzahlen, die durch die Mediawatch mit einem Sample auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet werden – programmatische Werbung mit weitreichenden Targetting-Möglichkeiten anbieten will, bleibt Hagemanns Geheimnis.
Tatsächlich scheint mir jedoch in meinem Artikel ein Fehler unterlaufen zu sein, als ich schrieb, Dani Büchi werde erst im nächsten Jahr VR-Präsident der DAB-Betreibergesellschaft Swiss Media Cast. Das war ein unglückliches Versehen, das Hagemann nun als Ablenkungsmanöver missbraucht. Denn der Einfluss von Ringier/Energy bei Swiss Media Cast ist offensichtlich und beunruhigt viele Radioveranstalter. Genau darum ging es mir bei meiner Kritik.
Und Roger Schawinski meinte damals in seinem Blog mit dem Titel ´Nur Doris Leuthard kann das verhindern`: ´Der Zugang zur Verbreitung dieser privaten Radiosender liegt also in Zukunft nicht mehr in den Händen des Bakoms, sondern bei einer privaten Firma. Und in dieser hat sich Ringier eine dominierende Rolle zusammengeklaubt`, schreibt der Radiobetreiber von Radio 1. ´So belegt Ringier nicht weniger als acht Sendeplätze, damit es für neue Veranstalter keinen Platz mehr gibt. Ebenfalls ist Ringier drauf und dran, den Verwaltungsrat von Swiss Media Cast zu dominieren. Damit könnte Ringier in Zukunft bestimmen, wer in der Schweiz die Möglichkeit hat, einen privaten Radiosender zu betreiben und wer nicht.`
Zusätzlich stossend sei für den Radio-1-Betreiber, dass die SRG, die mit ihren insgesamt 17 Radiosendern am meisten Sendeplätze bei DAB+ belegt, im VR von Swiss Media Cast ebenfalls prominent vertreten sein werde. Und der Dritte im Bunde ist Swisscom Broadcasting. Damit wären ´die drei Partner der umstrittenen Werbeallianz Admeira ausgerechnet in diesem Bereich im Driver Seat, von dem aus sie nach Belieben schalten und walten können`, schrieb Schawinski.
Und last, but not least: Die Netzneutralität war am Radio Day trotzdem kein Thema. Das wäre aber dringend nötig gewesen, denn auch der Präsident des Privatradioverbandes VSP sieht darin eine Gefahr für die Radios. So sagte Jürg Bachmann (Goldbach Group) auf die Frage, weshalb man nicht nur auf Streaming setze, wenn doch die jungen Hörer eher streamen: ´Würden wir das tun, würden wir uns abhängig von den Telekommunikationsanbietern machen. Sie würden mit uns irgendwann darüber verhandeln, welche Sender sie wo präsentieren und welche nicht.` (Horizont).
Das Thema Netzneutralität wird uns deshalb noch länger beschäftigen, und ich werde mich – auch politisch – dafür einsetzen, dass die Rolle des Bundes hinterfragt wird. Wieso sollte der Staat im Rahmen der Digitalisierungsstrategie nur eine Verbreitungstechnologie wie DAB+ fördern, während sich ein Grossteil der (vor allem jungen) Nutzer schon anders entschieden hat und Streaming nutzt? Es ist bezeichnend, dass ein sogenannter Branchenvertreter wie Matthias Hagemann lieber einem Kritiker wie mir auf die Kappe haut, statt sich diesen Fragen zu stellen.
Es ist längst nicht alles so kuschelig und harmonisch, wie es Matthias Hagemann darzustellen versucht. Seine Reaktion scheint mir eher abgehoben und wie aus einer anderen Welt zu sein. Jetzt bin ich erst recht besorgt.»