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Dienstag
30.09.2003

Satire muss hingenommen werden, solange sie nicht beleidigt. Dies entschied der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in Karlsruhe im Fall des ehemaligen Telekom-Chefs Ron Sommer. Sommer hatte wegen einer Fotomontage der Zeitschrift «Wirtschaftswoche» geklagt, weil sein Gesicht dabei angeblich unvorteilhaft verändert worden war. Sommer muss die Karikatur jedoch wegen der vom Grundgesetz geschützten Meinungsfreiheit hinnehmen. Damit hob der BGH ein gegenteiligs Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg auf. Dem Urteil zufolge können sich Betroffene von satirischen Fotomontagen ebenso wie jene von Meinungsäusserungen nur gegen unzulässiger Schmähkritik oder absichtliche Beleidigung wehren.

Sommer hatte kritisiert, dass sein Gesicht zwar kaum merklich, aber doch in nachteiliger Weise verändert worden sei. Sein Gesicht erscheine insgesamt länger, die Wangen fleischiger, der Kinnbereich fülliger, der Hals kürzer und dicker und die Hautfarbe blasser. Die Montage zeigte Sommer, wie er auf dem Erkennungszeichen der Telekom, dem Buchstaben «T» lässig sitzt, obwohl der Buchstabe bereits bröckelt und Risse hat. Die Karikatur sollte nach Ansicht des Wirtschaftsmagazins bildhaft darstellen, dass Sommer selbstherrlich über der Telekom thront, während das Unternehmen in einer Krise steckt. Das Magazin hatte dazu Sommers Gesicht auf einen fremden Körper montiert.

Laut BGH darf eine Fotomontage zu ihrer Bewertung nicht in ihrer Einzelteile zerlegt werden, sondern müsse wie eine Wortsatire im Gesamtzusammenhang gesehen werden. Ansonsten könne bei einer «isolierenden Betrachtung» einzelnen Teilen der Schutz des Rechts auf freie Meinungsäusserung versagt und damit die gesamte Satire für unzulässig erklärt werden. Eine derart «sezierende Betrachtungsweise» würde zudem den Gestaltungsspielraum des Äussernden unzulässig einengen.