Wenn es Schweizer Filme nach Cannes schaffen, dann kommen sie in der Regel aus der Westschweiz. Eine Ursache für das Ungleichgewicht sieht Produzent und Filmemacher Samir in der Filmförderungspolitik der vergangenen Jahre unter Nicolas Bideau, bis Ende 2010 Filmchef des Bundesamts für Kultur. Doch es werde besser, meinte Samir am Mittwoch im Gespräch mit dem Klein Report.
Es scheint, als würden die Romands etwas besser machen, man denke etwa an Ursula Meier oder Jean-Stéphane Bron. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Samir: «Das kommt darauf an, wie man es betrachtet. Wenn man nur die Oberfläche anschaut, könnte es so scheinen. Doch tatsächlich sind viele der ausgezeichneten Filme wie zum Beispiel der von Ursula Meier von Deutschschweizern produziert worden. Aber wenn es einen Unterschied gibt, dann hat das mit der Filmförderung der letzten vier Jahre zu tun. In der Deutschschweiz hat sich eine Bevorzugung des Mainstreams durchgesetzt. Man wollte Filme für die breite Masse machen, was dann - mit Ausnahmen wie `Der Verdingbub` - selten geklappt hat. In der Romandie dagegen hatte man allein durch die Kleinheit der Branche mehr Geld für aussergewöhnliche Projekte aussergewöhnlicher Regisseure.»
Es gibt also keinen Film-Röstigraben?
Samir: «Ich glaube nicht an einen Röstigraben-Effekt. Aber: Das Westschweizer Fernsehen ist mutiger als das SF, die Regionalförderung ist mutiger als die in Zürich. Und der Bund hat die grossen Meanstreamkisten bevorzugt. Da ist die Originalität verloren gegangen. Jean-Stéphane Bron, Ursula Meier - diese Leute machen Autorenfilme. Wenn man in der ganzen Schweiz auf diese Art Film setzt, wird man auch wieder mehr Filme aus der Deutschschweiz an Festivals sehen.»
Wie sehen Sie die neue Situation in der Sektion Film des Bundesamts für Kultur (BAK) unter der Leitung von Ivo Kummer?
Samir: «Ivo Kummer hat im Bundesamt für Kultur noch viel Arbeit. Es gibt noch Restbestände aus der Bideau-Zeit, die nach wie vor eine Verhinderungspolitik betreiben. Doch im Allgemeinen habe ich wieder Hoffnung: Zum ersten Mal seit fünf Jahren wird mit der Branche diskutiert und gemeinsam nach Lösungen gesucht, anstatt dass über die Köpfe der Leute hinweg entschieden wird.»
An welchem Projekt arbeitet der Filmemacher Samir aktuell?
Samir: «Ich arbeite an meiner Familiensage `Iraqi Odyssey`. In dem neuen Dokumentarfilm geht es um meine Familie, die über die ganze Welt verstreut lebt. Und doch wir wissen heute dank Facebook mehr übereinander als damals, als wir alle noch in Bagdad lebten. Dieser Film soll vor allem meine Geschichte erzählen.»
Und welche Projekte hat Dschoint Ventschr im Köcher?
Samir: «Gerade sind wir an den Vorbereitungen für den neuen Spielfilm von Stina Werenfels, eine Adaption eines Theaterstücks von Lukas Bärfuss, `Die sexuellen Neurosen unserer Eltern`. Das Casting ist bereits abgeschlossen, sagen aber kann ich dazu noch nichts.»