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Mittwoch
19.01.2011

Sie stammt aus der Ostschweiz (Herisau) und lebt seit 40 Jahren in Zürich. Gleichwohl sind viele ihrer Filme im frankophilen Sprachraum entstanden. Herausragend ist ihre Arbeit mit Jean-Luc Godard («Nouvelle vague», «Eloge de l`amour» u.a.). Ruth Waldburger (60) hat seit 1978 («Horizonville», Regie Alain Klarer) über 80 Filme produziert. Nun haben ihr die Solothurner ein Rencontre (übersetzt: Begegnung, Austausch), eben eine Retrospektive gewidmet, und das zu Lebzeiten: Allein 15 Filme aus über 30 Produktionsjahren sind in dieser Sektion zu sehen, und drei, vier andere kommen hinzu. Klein-Report-Mitarbeiter Rolf Breiner traf die tatkräftige Filmproduzentin am Sitz der Vega Film AG an der Helenastrasse im Zürcher Seefeld.

Das «Filmbulletin» hat ihrer Arbeit zehn Seiten gewidmet, ein fundiertes Interview mit reichem Bildmaterial umrahmt. Eine Genugtuung, eine Ehrung - was bedeutet der Filmproduzentin so viel Aufmerksamkeit? «Sicher eine Ehrung - auch für die Regisseure». Aber Ruth Waldburger wehrt gleichzeitig ab - nur kein Aufhebens, sie will nicht im Mittelpunkt und Vordergrund stehen, zumindest nicht in der Öffentlichkeit.

Was hat Produktionsprofi Waldburger im Laufe der Jahrzehnte geprägt? «Die Filme natürlich. Godard hat mich geprägt, seine Arbeitsweise. Er ist nicht nur ein genialer Regisseur, sondern auch ein Produzent.» Am Samstag, dem 22. Januar, und am Sonntag, dem 23. Januar, finden nach den Filmaufführungen (17.30 Uhr) Gespräche mit Ruth Waldburger im Kino Palace statt. Am Sonntag nach dem «Ernstfall in Havanna» seien Regisseurin Sabine Boss, die Schauspieler Mike Müller und Viktor Giacobbo dabei, verriet Waldburger. Für den Prix du Public an den Filmtagen ist ihre Produktion «La petite chambre» nominiert (Deutschschweizer Kinostart im März). Als ihr der Stoff vorgelegt wurde, sei sie zu Tränen gerührt gewesen, erinnert sich die Produzentin.

Mit diesem Drama ist Vega Film von der Schweiz für die Oscar-Nominationen nominiert worden. Was empfindet eine Produzentin dabei? «Nichts Besonderes», meint Waldburger. «Es ist ja nicht das erste Mal, dass eine Filmproduktion von uns im Nominationsgespräch ist. Man muss abwarten. Noch in dieser Woche sollen die Nominationen bekannt werden.» Aber Ruth Waldburger hat noch einen anderen Pfeil im Köcher. Ihre Produktion «The Turin Horse» wird an den Filmfestspielen in Berlin im Wettbewerb laufen. Der ungarische Regisseur Béla Tarr (55) liess sich von einer wahren Geschichte aus dem 19. Jahrhundert inspirieren und schildert in 135 Minuten, wie der Philosoph Friedrich Nietzsche bei einem Besuch in Turin ein Pferd vor Missbrauch schützt; Tarrs Film beschreibt das Leben des Rosses, des Kutschers und seiner Tochter. Mit Tarr hatte Ruth Waldburger bereits einmal einen Film produziert. Er hiess «Satanstango», dauerte 415 Minuten (in schwarzweissen Bildern) und feierte an der Berlinale 1994 Premiere.