Erst Ende Juni haben die deutschen Volksvertreter in Berlin eine Reihe Paragraphen gegen Hassbotschaften im Internet abgesegnet.
Und schon dient das umstrittene «Netzwerkdurchsuchungsgesetz» der russischen Duma als Vorbild. Der Meinungsaustausch in den ohnehin schon bedrängten sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten Russlands dürfte noch mehr unter Druck geraten, befürchten Branchenbeobachter.
Pikanterweise haben die Duma-Abgeordneten zahlreiche Punkte aus der deutschen Gesetzesvorlage kopiert, teils bis in die Einzelheiten. Konkret verlangt der Entwurf von den Betreibern grosser sozialer Netzwerke zum Bespiel, dass sie Online-Formulare bereitstellen, über die Nutzer «illegale» Inhalte melden können. Diese muss der Betreiber innerhalb von 24 Stunden löschen. Versäumt er die Frist, drohen saftige Strafen. Dass das Gesetz verabschiedet wird, gilt als sicher.
Das Einfallstor einer Gesetzesauslegung, um gegen unliebsame Kritiker vorzugehen, sind jene Passagen, die festlegen, welche Inhalte von den Netzbetreibern gelöscht werden müssen. Die Paragraphen sind allgemein formuliert: Es geht um Informationen, die zu Krieg, ethnischem oder religiösem Hass aufrufen, um ehrverletzende Äusserungen und «sonstige Informationen, für deren Weiterverbreitung man straf- oder zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann».
Laut Beobachtern ist die Bekämfpung von Hassbotschaften nur ein Vorwand, um gesellschaftliche Debatten einzuschränken. «Unsere schlimmsten Befürchtungen werden wahr», kommentierte zum Beispiel die Organisation Reporter ohne Grenzen die Ambitionen des russischen Parlaments.
«Auch in Russland sollen in Zukunft Mitarbeiter sozialer Netzwerke unter hohem Zeitdruck darüber entscheiden, welche Informationen gelöscht werden», warnte die Organisation weiter. «In einem Land ohne unabhängige Gerichte, die den Schutz der Meinungsfreiheit durchsetzen könnten, ist das eine verheerende Entwicklung.»
Bereits seit den Massenprotesten gegen Wahlfälschungen 2011 hat der Kreml die Kontrolle über das Internet unter vielfältigen Vorwänden «massiv verstärkt».