Das Panel des Schweizerischen Verbands der Filmjournalistinnen und Filmjournalisten (SVFJ) lud im Rahmen des Filmfestivals von Locarno zu einer Diskussion zum Thema «Röschtigraben im Schweizer Film?».
Auf dem Podium blieben die Herren am Montag einmal mehr unter sich: Und so diskutierten Roger de Weck, SRG-Generaldirektor, Ivo Kummer, Chef Sektion Film im Bundesamt für Kultur, Laurent Dutoit, Filmverleiher, Peter Reichenbach, Produzent von der C-Films AG, und Lionel Baier, Produzent und Filmemacher, unter der Leitung von Beat Glur, Geschäftsleiter des SVFJ, darüber, ob es den Röschtigraben im Schweizer Film gibt.
Die Schweiz, heisst es, sei eine Willensnation, die davon lebe, dass sich die Bürger und Bürgerinnen in den verschiedenen Sprachregionen füreinander interessieren.
Doch in der siebten Kunst ist dies nicht der Fall: 90 Prozent aller Kinoeintritte für Schweizer Filme wurden 2015 in der Deutschschweiz erzielt, gerade mal 8,5 Prozent waren es in der Romandie, wo Deutschschweizer Produktionen wie zum Beispiel «Schellen-Ursli» wenig Anklang fanden und andere wie «Heimatland» nicht einmal ins Kino kamen. «Seit 2012 verzeichnen wir einen Rückgang in der Westschweiz», erläuterte Ivo Kummer das Zahlenmaterial.
Die Runde fragte sich, woran das liege. An der Thematik der Filme? An der Qualität? Am fehlenden Marketing? Braucht es mehr Vermittlungsarbeit der Verleiher? Mehr Engagement vom Staat? Die SRG ist neben anderen staatlichen Institutionen heute der zweitgrösste Filmförderer in der Schweiz. Müssen wir also damit leben, dass Romands, Deutschschweizer, Tessiner und Rätoromanen in verschiedenen Kulturen leben? Ja, müssen wir, war der Tenor der Runde.
Erfolgsfilme wie «Schellen-Ursli», der in der deutschsprachigen Schweiz 450 000 Zuschauerinnen und Zuschauer ins Kino gelockt hat, fielen in der Westschweiz durch. Weshalb? «Weil der Kinderbuchklassiker in der Westschweiz niemand kennt», erklärten die beiden Romands in der Runde.
Und so lief sich der Produzent des Films, Peter Reichenbach von C-Films, die Hacken wund, um den Film in der Westschweizer Presse zu lancieren. «Ohne Erfolg. Die welschen Journalisten haben ihn schlichtweg ignoriert», enervierte er sich.
Und sollten solche Filme jenseits des Röschtigrabens mal im Fernsehen laufen, weil die SRG und RTS die Filme auch mit nicht unbedeutenden Mitteln fördern - 27 Millionen Franken fliessen jährlich aus dem SRG-Topf in die Filmbranche -, laufen diese meist zu nachtschlafener Zeit, monierten die Herren und fragten Richtung Roger de Weck... warum eigentlich? «Weil wir die Primetime für Filme mit möglichst hohen Einschaltquoten reservieren müssen», meinte dieser, was aber eben genau dem Service-public-Gedanken zuwiderläuft.
«Die Fördergelder werden runtergehen», gab Ivo Kummer zu bedenken. «Denn es wird auch international viel zu viel produziert», so der ehemalige langjährige Leiter der Solothurner Filmtage. Es sei ein Phänomen, dass überall mehr und mehr Filme produziert werden, die der Markt gar nicht aufnehmen könne. «Man muss ja aber nicht zwingend im Kino mit den Werken rauskommen», fügte der Filmprofi an, der sehr engagiert unaufgeregte Wege der Förderung sucht und mit seinem Fachwissen die Berner Beamtenwelt aufmischt. «In der Filmförderung wird eine gewisse Fokussierung nötig sein», so Kummer.
In der Schlussrunde durften alle noch einen Wunsch äussern, den Roger de Weck einmal mehr dazu nutzte, gegen Politiker zu schiessen, welche die Intellektuellen bekämpften und die SRG zerschlagen wollten. «Es geht nicht um Verteilungskämpfe», meinte der SRG-Generaldirektor, der mit der SRG 1,6 Milliarden Franken jährlich zur Verfügung hat. Sonst blieben den meisten nur Brosamen und es gebe am Ende dann auch keinen Medienplatz Schweiz mehr, überdrehte er etwas.
Und so bleibt der Röschtigraben im Schweizer Film auch weiterhin bestehen. Es wird auch in Zukunft nur ganz wenige löbliche Ausnahmen wie «Bienvenue chez les Ch’tis» oder «Intouchables» geben, die sowohl in der Westschweiz als auch in der Deutschschweiz die Massen begeistern. Beide Filme stammen aus Frankreich.