Die Beschwerden, die der Deutsche Presserat zu beurteilen hatte, waren happig: Die Zeitschrift «Bunte» habe mithilfe einer Agentur das Privatleben verschiedener deutscher Politiker ausspioniert. Das Verfahren müsse eingestellt werden, da die Vorwürfe nicht aufklärbar seien, liess der Presserat am Donnerstag verlauten. Roger Blum, emeritierter Professor für Medienwissenschaft der Universität Bern, war zehn Jahre lang Präsident des Schweizer Presserates, kommentiert das Urteil des deutschen Rates für den Klein Report:
«Das ist enttäuschend, denn es zeigt, dass der Deutsche Presserat seine Hausaufgaben nicht macht. Was sind die Fakten? Das Magazin `stern` hatte enthüllt, dass die Berliner Agentur CMK im Auftrag der Zeitschrift `Bunte` das Privatleben der Politiker Horst Seehofer (CSU), Franz Müntefering (SPD), Oskar Lafontaine (Die Linke), Wolfgang Tiefensee (SPD), Christian Wulff (CDU), Günter Oettinger (CDU) und Günter Verheugen (EU-Kommissär) bespitzelt hatte. Stets ging es um tatsächliche oder vermutete Frauengeschichten. Sowohl die `Bunte` als auch die Agentur CMK bestritten, irgendwelche journalistischen Regeln verletzt zu haben. Dies war für den Presserat Anlass, zu sagen: `Keiner hat recht. Die Wahrheit liegt vermutlich in der Mitte.`
Der Presserat mahnte dann noch an, dass die Presse personenbezogene Daten nicht mit unlauteren Methoden beschaffen dürfe und dass verdeckte Recherchen nur in ganz seltenen Fällen zulässig seien. Damit hat der Deutsche Presserat zielsicher das Thema verfehlt.
Das Thema ist nicht die verdeckte Recherche. Das Thema ist die Privatsphäre. Dort, wo Verantwortliche der Politik, der Wirtschaft oder anderer gesellschaftlicher Bereiche ihre Aufgabe nicht erfüllen, wo öffentliche Gelder unterschlagen, Dokumente vernichtet oder wichtige Sachverhalte nicht transparent gemacht werden, ist unerbittliche investigative journalistische Recherche vonnöten. Investigative Recherche kann immer auch verdeckte Recherche einschliessen, nämlich dann, wenn Vorgänge von öffentlichem Interesse nicht anders offengelegt werden können. In solchen Fällen ist es eine ethische Pflicht der Medien, zu recherchieren und aufzuklären.
Der Privatbereich der Personen des öffentlichen Lebens hingegen geht die Medien nichts an - ausser, das private Verhalten wirke sich auf die öffentliche Aufgabe aus. Darauf hätte der Deutsche Presserat beharren sollen. Und unter diesem Aspekt ist nicht mehr wichtig, ob die Rechercheure der CMK die Politiker wirklich heimlich auf Reisen verfolgt, von Observationswohnungen aus beobachtet oder mit installierten Kameras überwacht haben. Wichtig ist, was nie bestritten wurde: Dass das Privatleben ausspioniert wurde. Und das ist medienethisch verwerflich.» Soweit der Kommentar von Roger Blum.
Samstag
29.05.2010



