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Donnerstag
15.03.2018

Medien / Publizistik

Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) gelangt mit einem bemerkenswerten Appell an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: Er soll eine Wende in der Informationspolitik seiner Regierung einleiten und die freie Kommunikation von Journalisten und Bürgern im Internet nicht länger behindern.

Gemäss der russischen Menschenrechtsorganisation Agora haben die Behörden in Russland 2017 jeden Tag durchschnittlich 244 Webseiten blockiert. 411 Internetnutzer wurden im gleichen Jahr strafrechtlich verfolgt - rund 70 Prozent mehr als im Vorjahr (298 Fälle). 43 von ihnen wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt, fünf zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen.

«Die russische Führung muss ihre rückwärtsgewandte Politik gegenüber Journalisten, Bloggern und Internetnutzern endlich beenden», sagt ROG Geschäftsführer Christian Mihr. «Mit drakonischen Strafen und ausufernden Internetsperren versucht der Kreml, die lebendige russische Blogosphäre zum Schweigen zu bringen. Doch das vielfältige Angebot alternativer Medien und Online-Portale lässt sich - anders als das Fernsehen - nicht ohne Weiteres wieder vereinheitlichen und staatlicher Kontrolle unterwerfen.»

Um gegen allzu kritische Internetnutzer vorzugehen, strenge der russische Staat immer öfter Strafverfahren an und verhänge zum Teil drakonische Strafen für minimalste Vergehen wie das blosse Weiterleiten von aus Sicht des Kremls unliebsamen Informationen.

ROG berichtet weiter, dass immer öfter Menschen in Russland wegen ihrer Aktivität im Internet gewalttätig angegriffen oder bedroht werden. Im letzten Jahr habe sich die Zahl der Betroffenen nach Angaben von Agora auf 66 erhöht. 2016 waren es 50 Fälle. Die Täter würden kaum zur Verantwortung gezogen.

Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor teilte Mitte 2017 mit, seit Einführung des so genannten Registers verbotener Internetseiten vor fünf Jahren seien 275`000 Seiten vom Netz genommen worden. Die Menschenrechtsgruppe Roskomsvoboda, die für ein freies Internet kämpft, zählte hingegen allein im letzten Jahr sieben Millionen blockierte Seiten.

Da oft nicht einzelne Webseiten-Inhalte blockiert werden, sondern ganze IP-Adressen der Server, sind häufig auch Beiträge betroffen, die weder kriminell noch extremistisch sind. Sie werden einfach deswegen abgeschaltet, weil sie dieselbe IP-Adresse benutzen wie eine von der Medienaufsichtsbehörde beanstandete Seite.

Anfang März 2017 erwähnte Putins Berater in Internetfragen, German Klimenko, in einem Interview mit dem staatsnahen Sender NTV, Russland sei technisch in der Lage, sich vom weltweiten Internet zu trennen und ein separates Netz mit eigenen Suchmaschinen und eigenen sozialen Netzwerken zu betreiben. Dieser Position liegt die im Mai 2017 von Putin unterzeichnete «Strategie zur Entwicklung der Informationsgesellschaft» zugrunde.

Darin wird das Ziel betont, den Einfluss ausländischer Technologie in der Online-Kommunikation zu beschränken und den Internetverkehr vorwiegend über russische Netze laufen zu lassen. Die staatliche Kontrolle des Internets soll ausgebaut und anonyme Kommunikation unmöglich gemacht werden.