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Mittwoch
01.04.2015

Medien / Publizistik

Die Schweizer Sektion von Reporter ohne Grenzen (ROG) möchte den «Maulkorb»-Paragrafen ersatzlos aus dem Strafgesetzbuch streichen. Im vergangenen November hatte die Rechtskommission des Nationalrates vorgeschlagen, den Paragrafen abzuschwächen: Wenn kein wichtiges öffentliches oder privates Interesse für die Geheimhaltung spreche, solle die Veröffentlichung geheimer amtlicher Dokumente straffrei sein.

Für ROG gefährdet auch diese abgeschwächte Version der Strafnorm die Informationsfreiheit. «Es ist notwendig, Medien und Medienschaffende ihre Informationsarbeit leisten zu lassen.» Gerade in einer direkten Demokratie sei das Recht auf Information ein grundlegendes Recht. 

Das aktuelle System kriminalisiert aber diejenigen, die die Informationen veröffentlichen. Selbst wenn das Gericht keine Strafe ausspricht, wird der Informierende einem Strafverfahren ausgesetzt. Das fördere eine «Kultur der Geheimhaltung», argumentiert die Journalistenvereinigung. Die wirklichen staatlichen oder militärischen Geheimnisse blieben auch nach Aufhebung des Veröffentlichungsparagrafen weiterhin geschützt, betont ROG. 

«Erstaunlich, sogar schockierend» findet die Organisation zudem, dass die Journalisten verurteilt werden können, während die Beamten oder Parlamentarier, die plauderten, ohne Strafverfolgung davonkommen. Sie geniessen Immunität oder können nicht mehr ausfindig gemacht werden. 

ROG fordert, auf das Grundprinzip des Strafrechts zurückzukommen: «Bestraft wird der Urheber eines Delikts und nicht ein Ersatz (die Journalisten). Heute wird oft nur der `Bote` bestraft, nicht aber der Geheimnisverletzer.»

Die Debatte um Artikel 293 des Strafgesetzbuches geht zurück auf eine parlamentarische Initiative von alt Nationalrat Josef Lang aus seinem letzten Amtsjahr 2011. Nach Langs Ausscheiden aus dem Parlament übernahm Geri Müller das Dossier. 2012 wollte die Rechtskommission des Nationalrates den umstrittenen Artikel 293 des Strafgesetzbuches ersatzlos streichen. 

Im November 2014 wich die gleiche Kommission wieder einen Schritt zurück. Sie schlug vor, den Paragrafen beizubehalten und ihn um einen Abschnitt zu ergänzen. Die Veröffentlichung geheimer amtlicher Dokumente wäre nach dem neuen Vorschlag nur dann straffrei, «wenn der Veröffentlichung kein überwiegendes öffentliches oder privates Interessen entgegengestanden hat». 

Sprich: Nur dann, wenn das Interesse der Öffentlichkeit an der Information grösser ist als das Interesse der Politiker und Behörden an der Geheimhaltung, wären die Journalisten aus dem Schneider.