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Sonntag
23.10.2016

Medien / Publizistik

Seit einem Jahr sitzt der montenegrinische Investigativjournalist Jovo Martinovic in seinem Heimatland in Untersuchungshaft. Bis und mit Freitag hat er keinen Prozess bekommen, berichtet die Journalisten-Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG). Erst am 27. Oktober soll das Verfahren gegen ihn beginnen.

ROG prangert die unhaltbaren Zustände an: Vor genau einem Jahr wurde Martinovic wegen des Verdachts auf Beteiligung an einem Drogenhändlerring festgenommen. Er berichtete über das organisierte Verbrechen in den Balkanstaaten und arbeitete für viele internationale Medien, darunter «The Economist» und «The Financial Times».

«Die seit einem Jahr andauernde Untersuchungshaft von Jovo Martinovic ist absolut unangemessen», lässt sich ROG-Geschäftsführer Christian Mihr zitieren. «Der Prozess gegen den Journalisten kann zeigen, ob der EU-Beitrittskandidat Montenegro die Werte und Grundrechte, für die die EU steht, auch ernst nimmt.»

Zum Zeitpunkt seiner Festnahme arbeitete Martinovic für die französische Nachrichtenagentur CAPA Presse. Teil seines Jobs war es, Waffennetzwerke im Untergrund ausfindig zu machen und mit den Mitgliedern dieser kriminellen Gruppen in den Balkanstaaten in Kontakt zu stehen.

Wie die Journalisten-Organisation am Freitag mitteilte, wurde Martinovic aufgrund seiner Kontakte zu Mafiamitgliedern während einer Serie von Razzien in kriminellen Vereinigungen durch die montenegrinischen Behörden festgenommen. Am 8. April 2016 reichte die Sonderstaatsanwaltschaft Anklage ein. Sie wirft Martinovic vor, eine Straftat begangen zu haben, indem er ein Treffen zwischen einem Käufer und Verkäufer von Rauschgift unterstützt und dem angeblichen Bandenchef die Kommunikationsapp Viber auf dem Handy installiert haben soll.

Der Angeklagte dementiert die Vorwürfe und hält fest, sein Kontakt mit dem Bandenchef habe lediglich im Kontext seiner Arbeit als Journalist stattgefunden. Die Behörden lehnten zwei Anfragen seines Anwalts ab, ihn bis zum Prozess auf Kaution freizulassen. Eine Erklärung dafür gaben sie nicht, kritisiert ROG.

In Montenegro fanden diesen Monat Parlamentswahlen statt. Die Partei von Ministerpräsident Milo Djukanovic hat die meisten Sitze gewonnen. Die Behörden stellten die Messenger-Dienste Whatsapp und Viber vorübergehend ab. Die Apps würden «unerwünschte Botschaften» verbreiten. Unter dem Druck der Oppostition stellten die Behöreden den Zugang nach einigen Stunden wieder her.