Versuch einer Kontaktaufnahme mit den Protagonisten des Wechsels an der Spitze von Ringier. Der neue CEO Christian Unger will erst nach den berühmten 100 ersten Arbeitstagen mit den Medien sprechen.
Verwaltungsratspräsident Michael Ringier und Noch-Konzernchef Martin Werfeli lassen den Mediensprecher Marco Castellaneta für sich antworten: Der Rücktritt von Werfeli erfolge aus Gründen der «persönlichen Lebensplanung, um so mehr Freiraum zu erhalten, um sich sozialen Projekten in der Firma und auch ausserhalb zu widmen.»
Die Höhepunkte in der Ära Werfeli waren laut Castellaneta der Wandel vom klassischen Verlags- und Druckunternehmen zum Multimedia-Konzern mit Aktivitäten in neun europäischen und asiatischen Ländern, die Vervierfachung der Umsätze in der digitalen Sparte in den beiden letzten Geschäftsjahren und das Rekordergebnis 2007 in der Höhe von 102,7 Millionen Franken.
Die Antwort auf die Frage nach den Tiefpunkten fällt entschieden kürzer aus: «Es gab keine erwähnenswerten Tiefpunkte.»
Auf Fragen nach dem Stellenbesetzungsprozess und dem Auswahlverfahren wollte Ringier nicht eingehen. Die Wahl sei auf Christian Unger gefallen, weil er «ein ausgewiesener Profi mit langjähriger internationaler Erfahrung in der Medienwelt» sei. «Er kennt sowohl das klassische Verlagsgeschäft, die Printwelt wie auch das Geschäft mit den neuen digitalen Medien.»
Deutlich gesprächiger zeigten sich Christian Unger und Martin Werfeli im Intranet, in einem Interview mit der internen Kommunikation von Ringier.
Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit den vielen Mitarbeitern bei Ringier, sagte Unger im Gespräch. Er kenne das Unternehmen vor allem durch die Zusammenarbeit bei der TV-Sendung «Ricardo Hammershow» auf Sat.1 (die Auktionsplattform Ricardo.ch gehört zu MIH Internet Europe, das von Unger noch bis Ende Jahr als CEO geführt wird). Dann plauderte Unger auch aus dem strategischen Nähkästchen: «Ich bin überzeugt, dass man die Medienwelt aus Machersicht nicht mehr in digital und klassisch trennen sollte. Die Medien sind zusammengewachsen, wir alle konsumieren täglich einen Mix aus On- und Offline-Medien. Es geht heute vielmehr darum, dass man klassische Medien und digitale Kanäle und ihre Inhalte intelligent verknüpft.»
Eher schwammig dann die Antwort auf die Frage, wo für Ringier die grössten Herausforderungen liegen: «Ganz einfach, wir müssen aus den unzähligen Möglichkeiten, die wir haben, die wichtigsten auswählen und diese mit voller Kraft umsetzen. Wir müssen Prioritäten setzen.»
Unger sieht in der aktuellen konjunkturellen Lage auch Chancen: «In solchen Phasen der Konsolidierung sind Akquisitionen meistens zu vernünftigeren Preisen möglich. Sehr wichtig ist in solchen Zeiten aber auch ein hartes Kostenmanagement.»
Die Herausforderungen von Ringier seien nicht kurzfristig zu packen, «auch ich persönlich habe darum einen langen Zeithorizont.» In einer wirtschaftlich schwierigen Situation mit einem langen Zeithorizont zu starten, ergebe zusammen einen Vorteil.
Martin Werfeli verneinte in seinem Interview, dass sein Rücktritt ein kurzfristiger Entscheid gewesen sei: «Wer mich kennt, weiss, dass ich nicht zu unüberlegten Schnellschüssen neige. So ging auch diesem Entscheid ein längerer Reifeprozess voran.»