Auch in der zweiten Beschwerde zur «Blick»-Berichterstattung der Zuger Sex-Affäre, die der Zuger Kantonsrat Markus Hürlimann eingereicht hat, hat die Tageszeitung «Blick» eine empfindliche Niederlage in ihrer Berichterstattung einstecken müssen. Seine Beschwerde heisst der Schweizer Presserat teilweise gut.
Der Presserat stellt fest, dass «Blick» die Privat- und Intimsphäre verletzt, unüberprüfte Gerüchte publiziert und Angeschuldigte nicht zu den Vorwürfen angehört hat. Somit wurde auch in diesem Fall gleich mehrmals der Journalistenkodex nicht angemessen berücksichtigt.
Weiter hält er fest: «Vom Moment an, in dem sich die beiden Kantonspolitiker anlässlich der Landammannfeier zurückzogen, sei es im selben Lokal, sei es ausserhalb, wählten sie eine Privatsphäre, die es unbedingt zu respektieren gilt. Was hinter verschlossenen Türen stattfand, kann nicht Gegenstand der medialen Berichterstattung sein.» Denn unabhängig davon, ob die beiden Beteiligten wissen oder nicht wissen, zu welchem Grad von Intimität es zwischen ihnen gekommen ist: Es bleibt ausschliesslich deren Privatsache und hat dies auch zu bleiben.
Der Presserat schreibt, dass der «Blick»-Bericht vom 24. Dezember 2014 somit die Privat- und Intimsphäre von Markus Hürlimann verletzte. «Ob und in welcher Art sich dieser in der Folge selbst in der Öffentlichkeit und namentlich Medien gegenüber zur Sache äusserte, kann nicht im Nachhinein als Rechtfertigung für solche Verletzungen beansprucht werden.»
Hingegen durfte «Blick» darüber berichten, dass Markus Hürlimann, Präsident einer Kantonalpartei, vorübergehend wegen des Verdachts auf ein Sexualdelikt inhaftiert wurde, so der Presserat. «Dies ist ohne Zweifel von öffentlichem Interesse. Hingegen hätte der Beschwerdeführer zu diesen schweren Vorwürfen angehört werden müssen. Dass Hürlimann über Nacht in Haft war, ist kein ausreichender Grund, auf die Anhörung zu verzichten.»
Abschliessend hält der Presserat fest, dass erstens am 6. Januar 2015 «Blick» selbst festhielt, dass es trotz Gerüchten keine Augenzeugen für den angeblich beobachteten Geschlechtsverkehr gebe. «Die Tageszeitung hat auch mit der ungeprüften Weiterverbreitung dieses unbestätigten Gerüchts den Kodex verletzt.»
Zweitens: Mit den Aussagen, Markus Hürlimann habe anlässlich der Landammannfeier mit Jolanda Spiess-Hegglin Sex gehabt und Zeugen hätten die beiden «in flagranti» erwischt, verletzte «Blick» zudem die Wahrheitspflicht.
Drittens: Dass scheinbar offene Fragen («Hat er sie geschändet?») sehr viel mehr insinuieren, als sich mit der Unschuldsvermutung vereinbaren liesse. Der sprachlich unsaubere Wechsel zwischen Tatsachenbericht und Kolportage («Dort passierte es».... «Blick weiss: ... Hürlimann soll...»; «Für alle Anwesenden war offensichtlich, was da passiert»
et cetera) schaffe genau diesen Verdacht, der geeignet sei, den Ruf einer Person ungeachtet der Unschuldsvermutung nachhaltig zu beschädigen.
Gegenüber dem Klein Report äusserte sich der CCO von Ringier und gleichzeitiger Konzernsprecher Edi Estermann sowohl zum Fall «Blick» versus Spiess-Hegglin wie auch zum Fall «Blick» contra Hürlimann: «Wir haben den Entscheid und die Stellungnahme des Presserates, was den Beitrag über Frau Spiess-Hegglin vom 24.12.2014 sowie auch die Beiträge über Herrn Hürlimann anbelangt, erhalten und so zur Kenntnis genommen. Der Entscheid wurde redaktionsintern diskutiert und die von uns daraus abzuleitenden Massnahmen wurden getroffen.»
Fragen des Klein Reports, wie diese daraus abzuleitenden Massnahmen konkret aussehen, ob noch weitere Klagen zu dieser Story bei Ringier hängig sind und ob es bei der «Blick»-Redaktion in diesem Zusammenhang zu personellen Konsequenzen gekommen ist, liess er jedoch unbeantwortet.