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Freitag
14.02.2014

Medien / Publizistik

Reporter ohne Grenzen (ROG) ruft den türkischen Präsidenten Abdullah Gül auf, das umstrittene Internetgesetz nicht zu unterzeichnen. Die vom Parlament bereits verabschiedete Reform würde die Möglichkeiten der türkischen Behörden zur Überwachung und Zensur des Internets drastisch ausweiten.

«Noch mehr Kontrolle und Zensur sind die falsche Antwort auf Korruptionsvorwürfe und Proteste gegen die Regierung», sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. «Die geplanten Änderungen würden den Behörden die Möglichkeit geben, regierungskritische Webseiten quasi beliebig zu sperren.»

Am vergangenen Wochenende demonstrierten in der Türkei mehrere tausend Menschen gegen die Reform. Am Freitag wurde zudem der aserbaidschanische Journalist Mahir Zeynalov des Landes verwiesen. Er arbeitete für die regierungskritische türkische Zeitung «Today`s Zaman». Nach deren Angaben werfen die Anwälte von Ministerpräsident Tayyip Erdogan dem Journalisten vor, mit kritischen Twitter-Nachrichten die Persönlichkeitsrechte und die Ehre des Regierungschefs verletzt zu haben.

Die türkische Aufsichtsbehörde für Telekommunikation (TIB) kann schon jetzt Webseiten mit «obszönen» Inhalten ohne Richterbeschluss sperren. Die in der vergangenen Woche vom Parlament verabschiedete Reform des Gesetzes Nr. 5651 würde diese Befugnis auf Verletzungen der Privatsphäre, diskriminierende oder beleidigende Inhalte sowie Massnahmen zum Schutz von Familie und Kindern erweitern. Auch das Kommunikationsministerium soll künftig Sperrungen anordnen dürfen.

Das geänderte Gesetz könnte gemäss ROG wegen der fehlenden richterlichen Kontrolle und der weit gefassten Kriterien zu massenhafter Zensur führen, zumal die willkürliche Sperrung von Internetseiten schon länger gängige Praxis in der Türkei sei. Nach Angaben der Webseite Engelli Web sind in dem Land derzeit mehr als 40 000 Internetseiten blockiert.