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Sonntag
09.10.2016

Medien / Publizistik

Anlässlich eines neuen technischen Gutachtens fordert Reporter ohne Grenzen (ROG) den deutschen Bundestag auf, die Pläne für das neue Gesetz des deutschen Bundesnachrichtendiensts (BND) unverzüglich zu stoppen.

Das am Freitag erschienene Gutachten vom NSA-Untersuchungsausschuss des Chaos Computer Clubs (CCC) belegt, dass der Bundesnachrichtendienst damit zu einer grossflächigen Überwachung deutscher Bürger ermächtigt würde, wovor auch deutsche und ausländische Journalisten nicht geschützt werden könnten.

«Nachdem renommierte Juristen das neue BND-Gesetz bereits als evident verfassungswidrig eingeordnet haben, hält das rechtliche Konstrukt auch der technischen Realität nicht Stand: Es ist unmöglich, bei einer globalen Massenüberwachung zwischen deutschen und nicht-deutschen Bürgern zu trennen», sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. «Die Abgeordneten des Bundestages müssen erkennen, dass dieses Gesetz die Grundrechte der Bürger verletzen wird. Es zu verabschieden, ist ein offener Bruch mit unserer Verfassung.»

Die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD planen, die bisher rechtswidrige Abhörpraxis des BND bald zu legalisieren. In der sogenannten Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung soll der BND die gesamte Kommunikation erfassen dürfen, wenn davon keine EU-Bürger betroffen sind und sich die Teilnehmer ausserhalb der EU befinden.

Das Gutachten des CCC bestätigt jedoch, dass diese juristische Unterscheidung technisch nicht zu realisieren ist. Durch die globale Struktur des Internets und die Art der Übertragung ist es unmöglich herauszufinden, welchen Weg Kommunikationsströme nehmen und wo sich die Telekommunikationsteilnehmer befinden. In der Konsequenz erhält der BND selbstverständlich auch Daten über Deutsche und EU-Bürger, wenn er Glasfaserkabel anzapft.

In den vergangenen Wochen hatten Experten im In- und Ausland den Gesetzesentwurf massiv kritisiert, darunter auch die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, der Rechtsausschusses des Bundesrats und der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler.

Reporter ohne Grenzen hat gegen das BND-Gesetz zusammen mit einem internationalen Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen eine Online-Petition gestartet, die den Koalitionsfraktionen vor der geplanten Verabschiedung übergeben werden soll und weiterhin unterschrieben werden kann.

Zu den Unterstützern gehören unter anderem Amnesty International, PEN International, der Europäische Journalistenverband EFJ und der Weltverband der Zeitungsverleger. Zuletzt hat sich dem Bündnis der Deutsche Anwaltverein angeschlossen, der rund 66 000 Rechtsanwälte vertritt.