Die Trump-Wahl hat die Medienkritik in weiten Teilen aufgeschreckt. Seither gibt es nicht nur mehr eine Lügenpresse, sondern ein Lügenalgorithmus. Wie üblich haut man den Sack, weil man den Esel dahinter nicht erkennt. Deshalb hier in der Serie «schlagende Zeilen» eine weitere Annährung der Klein Report-Kolumnistin Regula Stämpfli zum Thema «digitale Revolution».
Die sozialen Medien heissen nicht per Zufall «soziale Medien». Denn offensichtlich sind die klassischen Medien «asozial» gewesen oder, in philosophischeren Worten, vorwiegend privat konstituiert. Denn entgegen der eigenen Verlautbarungen haben die klassischen Medien (Holzmedien) in den letzten 20 Jahren nicht etwa «der Öffentlichkeit» gedient, sondern ein vorwiegend ökonomisch getriebenes Agenda-Setting gepusht.
Wie oft wurden seit den Nuller-Jahren beispielsweise Frisuren, vorwiegend von Politikerinnen, thematisiert? Nicht erst seit Hashtags und Posts werden private, völlig unpolitische Themen verhandelt, diskutiert und breitgetreten. Die Boulevardisierung gehörte schon längst in die Leitmedien.
Erinnern Sie sich an den «Sex-Skandal» von Geri Müller? Die Pressekonferenz des angeschossenen Politikers übertrug sogar SRF in einem Livestream. Zur selben Zeit verhandelte der Schweizer Volkswirtschaftsminister das Freihandelsabkommen mit der Volksrepublik China. Dazu gab es nicht nur keinen Livestream von SRF, sondern überhaupt keinen wirklich relevanten Bericht!
Goldman Sachs regiert die Welt, aber die klassischen Medien behaupten seit Jahren, die sexuelle Orientierung, die Körpergrösse, das Alter, die Haarfarbe und der Zivilstand einer Person seien wichtiger als deren Interessenverbindungen, Lobbys und Netzwerk. Und jetzt, wo Twitter, Facebook, Instagram et al. genau diese Kriterien kategorisiert haben, fliegen sie den klassischen Medien um die Fresse und alle beginnen zu heulen.
Nicht was berichtet wird, ist falsch oder gelogen, sondern das, was alles nicht berichtet wird, ist kreuzfalsch. Vieles war völlig fake: Politische Berichterstattung hatte schon längst nix mehr mit Politik, dafür nur noch mit Stil und Projektionen zu tun. Wahlen und Abstimmungen fanden gar nicht statt, sondern nur noch Umfragewertediskussionen. Kritik an herrschenden Machtverhältnissen wurde als habituelle Pose linksdenkender oder rechtspopulistischer öffentlicher Intellektueller inszeniert. Nie wurde thematisiert, dass Denken eben ab und an auch weh tut.
Deshalb: Wer «postfaktisch» oder «Filterbubble» oder «Lügenalgorithmus» schreit, hat nicht begriffen, was gleich geblieben ist und was wirklich neu und neu gestaltbar sein muss.