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Mittwoch
28.02.2018

Medien / Publizistik

Lukas Golder: «Die Luft ist etwas draussen»

Lukas Golder: «Die Luft ist etwas draussen»

Das Nein zu «No Billag» bei der Abstimmung vom 4. März scheint klare Sache. «Der Nein-Trend ist schwer zu brechen», meinte der Politologe Lukas Golder am 21. Februar beim Schweizer Fernsehen (SRF). Doch wie sicher ist die Prognose des Longchamp-Nachfolgers und welche Faktoren können bis am Wochenende noch eine Rolle spielen?

Dazu kommentiert Medienexpertin Regula Stämpfli im Klein Report über falsche Gewissheiten im Zeitalter digitaler Kampagnen.

Die Hiobsbotschaft markierte den Auftakt zur «No Billag»-Initiative: Die Abschaffung der Fernseh- und Radiogebühren erfreute sich grosser Beliebtheit. Politik, SRG und die Gewerkschaften reagierten postwendend. Die Abgaben wurden auf einen Franken pro Tag gesenkt, Operation Libero und sämtliche Gewerkschaften mobilisierten das Land für ein Nein, die Regionalvertreter begannen sich zu melden, überall tauchten SRG-Fans auf und selbst SRG-Kritiker wie Roger Schawinski oder auch die SP-Ständerätin Anita Fetz machten mobil und zeigten dem ganzen Land: Diese Initiative ist ein veritables Schweiz-Abschaffungsprojekt.

Im Januar kam es zur Entwarnung, die Kampagnen beruhigten sich und zuletzt wagte sich Lukas Golder auf SRF weit hervor: «Der Nein-Trend ist schwer zu brechen

Sicher? Wie steht es mit der Demobilisierungskampagne der «No Billag»-Befürworter? Wie sind die Trends und Echokammern und Filterbubbles einzuschätzen? Selbstverständlich dominieren die Gegner der Initiative die Agenda, die wissenschaftlichen, populären und medialen Aktionen sind beeindruckend und sprechen alle für ein Nein am kommenden Sonntag – doch wer wird tatsächlich abstimmen? Was ist übrigens mit den Desinformationskampagnen auf YouTube, Facebook, Instagram und Twitter los – dort «bubblen» die «No-Billager» immer noch kräftig weiter.

Wer hat sein Couvert schon eingeworfen? Könnte es nicht sein, dass gerade die klassischen SVP-Wählenden die Initiative zwar zu radikal finden, aber die Motivation für ein Ja nicht reicht, um abzustimmen? Könnte es sein, dass die Netflix-Generation, welche die Billag-Gebühren als Kopfsteuer empfindet und gleichzeitig weiss, dass die Vorlage eine der bösen Rechten ist, sich aufgrund dieses Hin und Hers weder für ein Ja noch für ein Nein mobilisieren lässt?

Was, wenn die Leute aus den Gewerkschaften und der SP, die oft genug gerade vom SRF missachtet werden, kaum zu Wort kommen, aber selbstverständlich wissen, dass es bei dieser Abstimmung um ein wichtiges Zeichen geht, dank Wohlgefühl durch die Umfragen zu Hause bleiben, weil ein Ja contre coeur einfach anstrengend ist? Was ist mit all denen, die «No Billag» zwar furchtbar finden, aber das Couvert verludert haben und nun getrost sagen: Alles im grünen Bereich? Was ist mit der Post-Korruption? Wird der Skandal die Leute eher demobilisieren oder mobilisieren?

Donald Trump wurde nicht von einer Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner gewählt. Er wurde auch nicht gewählt, weil er als besserer Kandidat als Hillary Clinton galt. Donald Trump wurde gewählt, weil er in den entscheidenden Staaten eine geschickte Demobilisierungskampagne geführt hat, sprich: Sein Team liess alle Wähler zu Hause bleiben, die zwar nie für Trump gewählt hätten, sich aber auch für Hillary nicht aufraffen konnten.

«No Billag» wird am Ständemehr scheitern. So viel wage ich vorauszusagen. Die Zahlen sind ja auch beeindruckend: 65 Prozent auf dem Land wollen ein Nein in die Urne legen, in den Städten sind es sogar 72 Prozent.

Trotzdem könnte es am Sonntag, dem 4. März, noch zu Überraschungen kommen. Und wenn nicht, dann muss sich trotzdem alles ändern. Die Demokratie ist den Menschen und den Debatten jahrzehntelang durch Umfrage-Spektakel gestohlen worden. Jetzt wird sie durch Big Data nachweislich manipuliert. Höchste Zeit also, dass endlich Luft in die Medien- und Politikbude der Schweiz kommt: Nicht zuletzt in die SRG, die hoffentlich aus dem Frontalangriff der «No Billag» und der daraus resultierenden Diskussion die Zeichen der Zeit erkannt hat.