Die Schweizer Politologin und Publizistin Regula Stämpfli hat mit einem Kommentar zum Busunglück bei Siders, bei dem 28 Menschen ums Leben kamen, einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Auf news.ch veröffentlichte sie einen Beitrag mit dem Titel «Belgisation: Weshalb Unglücke auch politisch sind».
«Meine erste, spontane Reaktion als Mutter ist: Oh, nein! Wie grauenhaft!», schreibt Stämpfli in ihrem Beitrag. «Meine zweite: Erstaunt mich nicht. Ein belgischer Reisebus - mit Betonung auf belgischer.» Sie führt an, dass diese Aussage wohl unwissenschaftlich, rassistisch, spontan verständlich, aber politisch nicht korrekt daherkomme, fragt aber auch kritisch, ob das wirklich zutreffe.
Stämpflis Hauptkritik richtet sich darauf, dass Unglückfälle jeweils individualisiert und dem sogenannten «menschlichen» Versagen zugeordnet würden, weil dies den wirklich Verantwortlichen gerade gelegen komme. «Niemand macht sich daran, die Struktur von Unfällen und Schicksalsschlägen zu untersuchen, es sei denn unterbelichtete Wissenschaftler, die jedes menschliche Versagen auf ein hormonelles Zusammenspiel zurückführen wollen», so die Politologin.
«Verkehrsunfälle sind nur bedingt individuell, sondern strukturell. Sie hängen mit Preisen, Ausbildung, Infrastruktur etc. zusammen. Nur will dies die Verkehrslobby, die Lastwagenlobby, die Reisebusfahrerlobby nie zugeben», so Stämpfli.
Dass es ihr aber eben gerade exemplarisch um die Strukturen und nicht um die Personen ging, das ist der Leserschaft grösstenteils entgangen. Als «pietätlos», «niveaulos» und «ethisch unhaltbar» wurde ihr Beitrag in den Leserkommentaren bezeichnet und ihr persönlich «Unwissenheit, Ignoranz und Rassismus» vorgeworfen. Nicht nur das belgische Fernsehen griff Stämpflis Äusserungen auf, auch wurde bereits mit Beschwerden gedroht.
Das ironische an der Geschichte: Stämpfli ist ausgerechnet mit einem Beitrag zur Strukturkritik Opfer der von ihr genannten Individualisierung geworden. Da half auch die Anmerkung am Ende des Artikels nicht viel: «Deshalb darf ich wirklich und real rufen: `Typisch. Ein belgischer Reisebusfahrer`, ohne die Pauke der politisch Korrekten über meinen Kopf geschlagen zu kriegen. Denn dieses `typisch` verweist auf die Verantwortung der Politik und der Politiker, statt immer die einzelnen Menschen zu prügeln.»
Die erbosten Reaktionen sind zum Teil auf die Polemik zurückzuführen, man ist aber auch versucht, der Leserschaft zu unterstellen, ihrem Ärger Luft gelassen zu haben, ehe diese den Artikel fertig gelesen hatte.
Am 29.09.2009: Regula Stämpfli zum Redesign von Zeitungen