Die Wahlen um das Stadtpräsidium von Rapperswil-Jona hatten am 22. September zu einer faustdicken Überraschung geführt.
Barbara Dillier, Präsidiumskandidatin aus dem zürcherischen Fischenthal, gewann mit 4’101 Stimmen deutlich vor Boris Meier mit 2’583 und Amtsinhaber Martin Stöckling, der es auf 2’534 Stimmen brachte.
Weil sich Boris Meier inzwischen aus dem Rennen genommen hat, kommt es im zweiten Wahlgang zum Duell zwischen Dillier und Stöckling.
Und dabei wird mit harten Bandagen gekämpft. Wäre man nicht am beschaulichen Zürichsee, müsste man schon fast von amerikanischen Verhältnisse sprechen.
Die Lokalmedien spielen dabei eine zentrale Rolle. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Kandidatur Dilliers von Bruno Hug, Verleger des Internetportals Linth24, lanciert worden war. Auf der anderen Seite vertritt die «Linth-Zeitung» eher die Position des «Ur-Rapperswilers» Stöckling. Die regionale Zeitung für die Region See-Gaster wird von den Verlagen Somedia und Tamedia herausgegeben. Sie gehört zum Zeitungsverbund der Südostschweiz.
Doch nun erreicht der Kampf ums Präsidium eine neue Eskalationsstufe. Der Martin Stöckling nahestehende Anwalt Sandro Ruggli hat in der Gratiszeitung «Obersee Nachrichten» eine Kampagne geschaltet, die Barbara Dillier öffentlich diskreditiert.
In einem vor zwei Wochen erschienen Inserat, das als Publireportage gezeichnet ist, werden Dillier Fehler in der Amtsführung in Fischenthal vorgeworfen, in einem zweiten Inserat, das sieben Tage später publiziert wurde, wird angezweifelt, ob die Referenzen aus einer beschaulichen Zürcher Landgemeinde genügen, um die zweitgrösste Stadt des Kantons St. Gallen zu führen. Als (vorläufig) letzte Kampfmassnahme lässt Anwalt Ruggli einen Flyer mit ähnlichen Inhalten verteilen.
Das Inserat ist äusserst plakativ aufgemacht, gelb-schwarz umrahmt und mit einem Warndreieck mit dickem Ausrufezeichen versehen.
In den Leserbriefspalten kommt das aggressive Vorgehen gegen Dillier schlecht an. Auf dem Portal Linth24 schreibt ein User: «Ich wünsche mir einen fairen und korrekten Wahlkampf, mit Anstand und gegenseitiger Achtung, ohne Argumente aus der untersten Schublade.»
Eine Leserin bringt auf derselben Plattform eine ähnliche Meinung ein: «Offenbar fehlen den Unterstützern des heutigen Stadtpräsidenten auch nach acht Jahren seiner Amtsführung die Argumente. Deshalb kam man bei seinen Leuten offenbar auf die Idee, Barbara Dillier auf unfaire Art und Weise mit Fake-Inseraten und Falschaussagen anzugreifen.»
Auch in der «Linth-Zeitung» meldet sich eine Leserin zu Wort – und zeigt sich befremdet über die Umgangsformen: «Wir Frauen müssen dagegenhalten und kämpfen, dass diese Art von Wahlkampf nicht von solchen Falschaussagen beherrscht wird. Darum am 24. November erst recht die Stimme für Barbara Dillier einlegen.»
Der Klein Report legte das Inserat («Publireportage») aus den «Obersee Nachrichten» Medienanwalt Andreas Meili vor.
Die Oberzeile lautet: «Besorgte Bürgerinnen und Bürger von Rapperswil-Jona fragen sich:» – gefolgt vom grösseren Titel «Ist das Stadtpräsidium für Barbara Dillier nicht eine Nummer zu gross?»
Das lässt aufhorchen. Der Klein Report fragt, ob das nun bereits amerikanische Verhältnisse sind. Und ist solche Politwerbung überhaupt zulässig?
Die Antwort von Medienrechtler Andreas Meili: «Ja. Publireportagen, die im politischen Kontext geschaltet werden, stehen unter dem Schutz der verfassungsmässigen Meinungs- und Informationsfreiheit. Diese gilt zwar nicht schrankenlos, wird aber im politischen Diskurs sehr weit verstanden. Zudem schiessen die Vorwürfe nicht auf Frau Dillier als Mensch, sondern auf sie als Politikerin und Kandidatin für das Stadtpräsidium von Rapperswil-Jona. Ihr werden zwar ‚Unzulänglichkeiten‘ bei ihrer Amtsführung vorgeworfen, jedoch kein ethisches oder gar rechtliches Fehlverhalten, denn ‚unzulänglich‘ bedeutet ja weder amoralisch noch widerrechtlich oder gar kriminell.»
Weiter kommentiert Andreas Meili, Partner bei Meili Pfortmüller Rechtsanwälte, Zürich, den Fall so: «Die Vorwürfe sind für Frau Dillier sicher wenig schmeichelhaft und werden auch von vielen als ‚unfair‘ wahrgenommen. Im zunehmend härteren politischen Diskurs, der seit Jahren zunehmend auch in der Schweiz praktiziert wird, sind sie aber hinzunehmen. Als bekannte Politikerin ist Frau Dillier eine ‚absolute Person der Zeitgeschichte‘. Sie muss sich daher im beruflich-politischen Kontext weitergehende Eingriffe in ihre Persönlichkeitsrechte gefallen lassen als weniger bekannte Personen. Soweit daher die gegen sie gerichteten Vorwürfe der ‚Unzulänglichkeiten‘ in tatsächlicher Hinsicht nicht völlig haltlos sind, muss sie die diesbezügliche Kritik hinnehmen, auch wenn sie undifferenziert, scharf oder beissend ist.»
Auch bei den «Obersee Nachrichten», die von der Fridolin Medien AG in Glarus herausgegeben werden, ist man sich der Situation bewusst und hat das Inserat genau angeschaut. Auf Anfrage des Klein Reports am Mittwoch erklärte Verlagsleiter Willi Bösch: «Da das Inserat einen klaren Absender hat, also nicht anonym ist und eine Kontaktaufnahme möglich ist, haben wir den Auftrag angenommen. Verantwortlich ist der Auftraggeber.»
Derweil hält sich Barbara Dillier während allen Aufregungen vornehm zurück. Eine Rechtfertigung oder ein Konter von der Siegerin im ersten Wahlgangs blieb bisher aus.
Fazit des Klein Reports: Die Rapperswiler Stadtpräsidentin in spe hält sich an eine alte Weisheit, die auch dem einen oder anderen männlichen Politiker gut anstehen würde: «Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.»