Im Werbemarkt jagt ein Trend den anderen: Zurzeit steht Audio mit seinen vielen individuellen Möglichkeiten hoch im Kurs.
Wie sieht Ralf Brachat, der seit siebeneinhalb Jahren Managing Director von Swiss Radioworld (Goldbach) ist, die Entwicklung? Wo steht die Podcast-Szene mit ihrer grossen, aber sehr verästelten Hörerschaft in der Schweiz, und weshalb gilt Spotify als «Rising Star»?
Hierzu gibt Ralf Brachat im Gespräch mit Chefredaktorin Ursula Klein Antworten. Aber auch der Umsatzeinbruch um 20 Prozent durch die Autobranche und weshalb die Fachwelt so lange braucht, um Programmatic im Audio-Bereich richtig aufzunehmen, waren Themen. Richten soll es in Zukunft der Smart Speaker, der für Brachat einen weiteren Audio Boost bringen werde.
Mit den Audio-Netzwerken, Podcasts oder Streamingdiensten haben sich die Werbemöglichkeiten im Bereich Audio vervielfacht. Wie haben sich diese Audio-Disziplinen bis heute entwickelt?
Ralf Brachat: «Während die klassische Radiowerbung in den letzten Jahren sehr stabil geblieben ist, hat sich der Audio-Bereich enorm stark entwickelt. Obwohl wir zum Beispiel Spotify bereits seit 2014 exklusiv anbieten dürfen, ist diese Digital-Audio-Werbemöglichkeit erst in den letzten drei Jahren so richtig im Markt angekommen. So bezeichnen wir dieses Feld der Audiowelt als unseren ‚Rising Star‘.»
Vom Trend her dreht sich alles um Podcasts, Podcasts und Podcasts. Ist das mehr ein Hype bei Audio-Konsumenten – oder wie ordnen Sie diesen Trend ein?
Ralf Brachat: «Unsere benachbarten Länder oder auch die USA zeigen einen enormen Anstieg bei der Podcast-Nutzung. Auch in der Schweiz haben wir bereits 2 Millionen Hörer*innen. Die einzige Krux ist, dass es aufgrund der verschiedenen Sprachgebiete nicht viele Podcasts mit einer riesigen Hörerschaft gibt. Deshalb haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und versucht, das ganze verfügbare Podcast-Inventar zu aggregieren und es als Netzwerk dem Markt anzubieten. Damit ist es den Werbetreibenden möglich, diese äusserst interessante Zielgruppe mittels Pre-Rolls zu erreichen. Dies auch themenbasiert und, wenn gewünscht, programmatisch.»
Und wo steht das klassische Radiogeschäft zurzeit, und welche Kunden bevorzugen diesen Kanal?
Brachat: «Als nationaler Vermittler kann ich nur den nationalen Umsatz beurteilen. Dieser war in den letzten Jahren trotz Corona immer sehr stabil. In diesem Jahr sind die Umstände nun äusserst unglücklich. Besonders die Knappheit an Autos spüren wir im Radio stark. Die Autobranche hat bis zu 20 Prozent unseres Umsatzes ausgemacht. Und da zurzeit praktisch keine Autos mit Preisvorteilen abverkauft werden, spüren wir das dieses Jahr. Natürlich spielen uns die weiteren bekannten Gründe wie Krieg, Inflation, Energiekrise etc. nicht in die Hände. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir im kommenden Jahr wieder zu alter Stärke zurückfinden.»
Seit etwa einem Jahr bietet Swiss Radio World im Radio-Bereich Programmatic an. Wie hat der Media-Markt das bis heute aufgenommen?
Brachat: «Das ist ein sehr erfreuliches Thema. Endlich ist es den Agenturen möglich, auch Audio im programmatischen Medienmix zu berücksichtigen und ihren Kund*innen entsprechend vorzuschlagen. Wir sind in engem Austausch mit den programmatischen Einkäufern, damit diese Option mit der Zeit selbstverständlich wird.»
Was sind die besonderen Herausforderungen, um programmatisch zu buchen?
Ralf Brachat: «Da sich die Buchung seitens der Agenturen in den DSPs (Demand Side Platform, Anm. der Redaktion) zum Teil von jener anderer Formate unterscheidet, mussten zuerst ein paar offene Fragen geklärt werden, zum Beispiel in Zusammenhang mit der Handhabung von sogenannten Cappings oder Targetings, die sich anders gestalten als bei einer programmatischen Display-Buchung. In Fällen, wo parallel keine klassische Radiokampagne geplant war, kommt zuweilen auch die Frage nach den Spots auf. Vielen Einkäufern war nicht bewusst, dass wir zum Beispiel auch bei der einfachen und kostengünstigen Produktion eines Audio-Spots unterstützen können.»
Man kann also sagen, dass es etwas gedauert hat, bis die Fachwelt auch Programmatic im Audio-Bereich richtig aufgenommen hat. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe?
Ralf Brachat: «Die Welt der Medien dreht sich schnell, und jeden Tag kommen neue Produkte auf den Markt. Es brauchte natürlich Zeit, um eine Roadshow bei allen Agenturen abzuhalten und die programmatische Buchung von Digital Audio zu präsentieren. Es ist ja nicht nur ein Netzwerk. Bei uns kann man Spotfiy, das Audio-Netzwerk und sogar ein Podcast-Netzwerk buchen. Nachgelagert fanden dann Tests statt, um die Buchungsprozesse zu optimieren. Und natürlich brauchte es zunächst auch ein paar erste Showcases, um das Thema zu etablieren. Nun sind wir fast überall so weit, und die Buchungen nehmen von Monat zu Monat zu.»
Wie beurteilen Sie den Ausbildungsstand in den Media-Agenturen bezüglich Programmatic im Audio-Bereich? Was wäre aus Sicht von Swiss Radioworld hilfreich?
Brachat: «Da für uns in der Audio-Welt das Thema ja auch immer noch relativ neu ist und wir täglich lernen, wäre es etwas anmassend, dies zu beurteilen. Ich kann nur sagen, dass wir in den Agenturen mit sehr viel Kompetenz und grossem Interesse empfangen werden. Auch die Tests werden immer sehr speditiv umgesetzt.»
Bei der Swiss Radioworld haben Sie seit Juni Darko Dunjic in der Geschäftsleitung. Dunjic kümmert sich verstärkt um die Digitalisierung im Audio-Markt. Wie sind seine ersten Erfahrungen?
Ralf Brachat: «Darko ist nun bereits seit über sechs Jahren massgeblich am Erfolg unserer Firma beteiligt. Neben seiner Erfahrung im klassischen Bereich hat er nun auch die Aufgabe, das digitale Geschäft weiterzuentwickeln. Dies macht er mit Unterstützung eines tollen Teams, welches sich in kurzer Zeit extrem viel Know-how in diesem Bereich angeeignet hat und dafür spezifisch Ressourcen einsetzt. Diese Teamleistung bringt uns in diesem spannenden Wachstumsfeld schnell vorwärts.»
Sie sind seit März 2014 Managing Director der Swiss Radioworld. Wie sehen Sie generell die Zukunft von Audio im Mediamix?
Brachat: «Ich bin der Überzeugung, dass Radio auch in Zukunft einen grossen Stellenwert im Medienmix haben wird. Nebst TV ist Radio das Medium mit der grössten Reichweite. Die digitale Verlängerung ist die perfekte Ergänzung, deshalb sprechen wir auch lieber von Audio. Radio als solches gibt es ja gar nicht mehr, sondern wird über verschiedenste Verbreitungswege konsumiert, was das Medium noch spannender macht. Früher konnte ich 15- oder 20-Sekunden-Spots buchen. Heute stehen mir für Audio unzählige Möglichkeiten zur Verfügung. Und wenn der Smart Speaker endlich in der Schweiz Verbreitung findet, wird ein zusätzlicher Audio Boost dazukommen.»