Vor drei Jahren ging das Wirtschaftsmagazin Eco auf Sendung. Sonnyboy Reto Lipp kam, strahlte und siegte: Nachdem der Eco-Moderator das neue Sendeformat zum Fliegen brachte, sahnte er jetzt beim «Schweizer Fernsehpreis 2010» mächtig ab. Der Klein Report traf den smarten Wirtschaftsjournalisten und diskutierte mit ihm über seine UBS-Erfahrungen, seinen Lohn und die Radio-Fernseh-Konvergenz.
Nach dem Interview trat dann die Abteilung Kommunikation des Schweizer Fernsehens auf die Bremse und zensurierte einige zentrale Aussagen von Reto Lipp zur angestrebten Konvergenz innerhalb der SRG. Kurz zusammengefasst geht es darum, wo die Medien Radio und TV zusammen arbeiten können. Im Management und in der Administration sicher, jedoch redaktionell sind das zwei verschiedene elektronische Medien, deren Produktion völlig unterschiedlich verläuft. Eine Zusammenarbeit ist nur äusserst begrenzt möglich. Da wurde von der Kommunikations-Abteilung ein «Streichkonzert» der Lipp`schen Aussagen vorgenommen. Obwohl: Es war viel «vom Recht auf das eigene Wort» die Rede.
Zum offenbar hochheiklen Thema Konvergenz gäben nur Hansruedi Schoch (Chefredaktor SF und Abteilungsleiter Information) und Rudolf Matter (Chefredaktor von Schweizer Radio DRS) Auskunft, hiess es. Beide sind in der Poleposition für höhere Ämter bei der SRG. Schoch gab aber auf mehrmalige Anfrage keine Auskunft gegenüber dem Klein Report. Von Reto Lipp hat der Klein Report nun drei standardisierte Antworten übernommen.
Klein Report: Bevor Sie beim Fernsehen angefangen haben, arbeiteten Sie ein Jahr bei der UBS in der Kommunikations- und Marketingabteilung. Weshalb waren Sie da nur so kurz?
Reto Lipp: Ganz einfach: Weil ich das Angebot als Moderator bei Eco bekommen habe. Sonst wäre ich heute garantiert noch bei der Bank - ausser sie hätten mich inzwischen rausgeschmissen im Zeichen der Mitarbeiterreduktion.
Nützen Ihnen Ihre Kontakte zur UBS für die Berichterstattung im derzeitigen Bankentrubel etwas?
Reto Lipp: Das Gegenteil ist der Fall. Immer wenn ich mit einem Ex-Arbeitskollegen zusammen bin, dann sagen mir diese partout nichts - wohl aus Angst, ich könnte etwas davon im Fernsehen bringen. Ich weiss wohl zehnmal weniger als die Journalistenkollegen.
Welche Rolle spielte der Lohn beim Wechsel von der UBS zum Fernsehen?
Reto Lipp: Die UBS hat gut bezahlt, keine Frage. Beim Fernsehen verdiene ich weniger. Aber eigentlich sollte sich der Rest der Wirtschaft dem Lohnniveau des Finanzsektors anpassen, es ist ja wirtschaftlich gut, wenn Arbeitnehmer gut bezahlt sind. Ausgenommen sind natürlich die jenseitigen Lohnexzesse der ganz oberen Liga.»
Ende März haben Sie mit Eco den Fernsehpreis für die beste Sendung erhalten. Weshalb kam dieser Preis gerade jetzt im Jahr drei seit Lancierung des Wirtschaftsmagazins?
Reto Lipp: Das hängt sicher damit zusammen, dass der Fernsehpreis im letzten Jahr gar nicht verliehen wurde. Der Medienverlag Axel Springer Schweiz, der den Preis verleiht, wollte im Krisenjahr damit ein Zeichen setzen und ausdrücken, dass in schweren Zeiten nicht gefeiert wird. Jetzt aber war die Zeit wohl reif. Was mich an der Auszeichnung speziell freut, ist die Anerkennung des Publikums. Denn es waren die Zuschauer, die Eco auf den ersten Platz gewählt haben.»
Wie stark beeinflussen Sie als Moderator den Sendungsinhalt?
Reto Lipp: Bei uns in der Redaktion kann jeder seine Themen einspeisen. Wir diskutieren diese jeweils sehr ausführlich. Das beste Argument gewinnt, und das entsprechende Thema wird umgesetzt.
Mit Ihrer Herkunft von Radio und Print sind Sie ein News-Journalist. Fokussieren Sie entsprechend stark auf Neuigkeiten?
Reto Lipp: Eco ist ein Wochenmagazin. Das heisst, wir kommen in der News-Verwertung immer ganz am Schluss, nach der Tagesschau und dem 10vor10. So macht es eigentlich keinen Sinn, aus dem Tag heraus Geschichten zu machen. Denn das kann 10vor10 wahrscheinlich besser.
Wo liegt denn der Mehrwert von Eco?
Reto Lipp: Wir haben den Anspruch, uns langfristiger zu orientieren und manchmal auch der Zeit voraus zu sein. So gelingt es uns immer mal wieder, gewisse Themen zu setzen. Zum Beispiel machten wir im Dezember eine Geschichte über die Arbeitslosenquote in der Schweiz. Nachdem damals alle behauptet hatten, diese werde in den nächsten Monaten über fünf Prozent klettern, zeigten wir, dass es nie soweit kommen wird. Die neusten Zahlen geben uns heute Recht.
Wie nahe arbeiten Sie mit 10vor10 und der Tagesschau zusammen?
Reto Lipp: Zweimal pro Woche gibt es eine Redaktionssitzung. Dabei besprechen wir jeweils, welche Themen anstehen. Manchmal gibt's dann einen Kampf um gewisse Geschichten. Da gilt die Regel first come, first served, wer die Idee zuerst hatte, kann die Geschichte auch machen.
Wie sieht es mit der Zusammenarbeit zwischen dem Schweizer Fernsehen und Radio DRS aus?
Reto Lipp: Dieses Miteinander soll ja mit dem neuen Konvergenz-Konzept mehr und mehr kommen. Wir beim Wirtschafts-Ressort haben uns nun erst mal etwas kennen gelernt. Als wir zum Beispiel am WEF in Davos ein Interview gemacht haben, befragte das Radio zum Teil dieselbe Person gleich im Anschluss an unser Fernsehgespräch.
Wie weit sind die Konvergenz-Pläne denn schon umgesetzt?
Reto Lipp: Am 1. Januar 2011 soll die bereits kommunizierte Hierarchiestruktur eingeführt werden. Die beiden Unternehmen Radio und Fernsehen werden zusammengeführt.
Macht die Konvergenz überhaupt Sinn?
Reto Lipp: Ja, grundsätzlich schon. Radio und Fernsehen sind und bleiben unterschiedliche Medien mit je eigenen Ansprüchen. Diese kann man nicht alle unter einen Hut bringen.
Sie glauben also gar nicht an die Konvergenz?
Reto Lipp: Doch. Bei der Kommunikation und im Marketing, bei der Personalabteilung und in der Immobilienverwaltung macht eine Zusammenlegung sicher Sinn. Auch beim Journalismus kann man viele Synergien nutzen.
Weshalb bewirbt Eco seine Sendungen immer mehr als Datenfile zum Runterladen im Internet?
Reto Lipp: Aus einem Interview, von dem wir sieben Minuten aufnehmen, zeigen wir in der Regel nicht mehr als drei Quotes. Das restliche Material steht im Internet zur Verfügung. Abgesehen von diesem Service an die stark Interessierten kommt bei dieser Praxis auch ein gewisser Dokumentationscharakter dazu.
Wie ist es möglich, dass Sie die per Gebühren bereits finanzierten Sendungen nun übers Internet so ungehemmt bewerben? Verzerrt das nicht den Wettbewerb in Konkurrenz mit den Privaten?
Reto Lipp: Als ungehemmt würde ich das nicht bezeichnen. Wir machen lediglich in der Sendung einen Hinweis. Es ist aber ganz klar: Fernsehen und Internet wachsen zusammen. Dass man den Kanal Internet besser nutzen muss, ist ein Gebot der Stunde. Immer mehr Leute schauen unsere Sendungen zeitverschoben auf dem Internet. Das hat mit Wettbewerbsverzerrung nichts zu tun.
Wie haben Sie sich in dem Fall als «Staatsbeamter» eingelebt, nachdem Sie vorher in der Privatwirtschaft tätig waren? Sind Sie noch ein freier Geist?
Reto Lipp: Die SRG ist ja kein Staatssender. Wir werden zum Teil mit Gebühren finanziert. Eine Sendung wie Eco ist in einem Privatsender kaum realisierbar, weil deren Produktion im Verhältnis zu den Zuschauerzahlen teuer ist. Dass wir uns bei Eco den Luxus leisten können, über gewisse Themen intensiv zu diskutieren, ist natürlich grossartig, gehört aber auch zu unserem Service-Public-Auftrag. Bezüglich Qualitätssicherung ist die SRG sehr professionell. Da wird jede Sendung von drei Instanzen abgenommen.
Wie wird sich die mediale Landschaft in Zukunft verändern?
Reto Lipp: Die Leute lassen sich nicht mehr vorschreiben, wann sie welche Sendung schauen. Bis jetzt sind es zwar erst etwa zehn Prozent, welche die Sendungen über Podcasts und Video on demand zeitverschoben schauen. Dieser Teil wird sich aber bis 2020 massiv ausweiten. Kommt dazu, dass sich die Senderlandschaft immer stärker atomisiert: Immer mehr kleine Anbieter knabbern am grossen Kuchenanteil der SRG.
Montag
26.04.2010



