Vor zwei Wochen hat Lisa Feldmann ihren Abschied vor der «Annabelle»-Redaktion verkündet. Ein Schritt, der der 54-Jährigen alles andere als leicht gefallen ist, wie man von der Redaktion hört. Die sonst so kühl und kontrolliert wirkende Deutsche mit Schweizer Pass rang vergeblich um Fassung und brach in Tränen aus, als sie ihren Abschied bekannt gab.
Lisa Feldmann und die «Annabelle», das war eine richtig schöne Erfolgsgeschichte. Feldmann liebte ihr Baby und die Redaktion schätzte ihre Chefin. Und darum ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass der Schock über den Abgang Feldmanns noch immer tief sitzt, und es vielen auf der Redaktion sichtlich schwer fällt, zur Tagesordnung zurückzukehren. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass der Abschied von Lisa Feldmann alles andere als freiwillig war.
Einige Tage nach der Kündigung von Feldmann wurde durch die «NZZ am Sonntag» publik, dass der Tamedia-Verleger Pietro Supino der «Annabelle» nach der Kampagne für die Frauenquote vom letzten Herbst weitere politische Engagements verboten hatte. «Politische Kampagnen gehören nicht zu den Aufgaben unserer Medien», sagte dann auch Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer. Und Lisa Feldmann erklärte in einem Interview, «dass Herr Supino unser Engagement für die Frauenquote nicht gerne gesehen hat». «Wäre die Ausgabe damals nicht schon fast fertig gewesen, hätte Supino sie am liebsten kurzerhand ganz abgesagt», so Feldmann.
Das wirft die Frage auf: Hat Tamedia sich wegen der politischen Kampagne von der verantwortlichen Chefredaktorin getrennt oder hat Feldmann, die sich den Maulkorb aus der Teppichetage nicht gefallen liess, die Konsequenzen gezogen?
Auch wenn Lisa Feldmann betont, dass ihre Kündigung nichts mit der Meinungsverschiedenheit mit Verleger Supino zu tun habe, sondern mit dem attraktiven Angebot aus Berlin, dann ist das die diplomatische Version. Und eine, die ihre letzten Wochen im Medienhaus nicht unnötig erschwert. Die Redaktion spricht aber ganz klar davon, dass Lisa Feldmann keine Frau sei, die Einmischungen oder Verbote aus der Teppichetage akzeptiert habe. Sie habe mit der «Annabelle» noch viel vorgehabt und es habe absolut keine Anzeichen gegeben, dass Feldmann den Tamedia-Konzern verlassen würde.
Mit dem Abgang von Feldmann verliert die «Annabelle» eine Chefredaktorin, die aus einem äusserst gefälligen Mode- und Beauty-Magazin eine Zeitschrift gemacht hat, die auch klar zu gesellschaftsrelevanten Themen wie das Frauenstimmrecht, gegen Armeewaffen zu Hause und für die Frauenquote Stellung bezog. Doch damit ist jetzt Schluss, wenn man Supinos Worte richtig interpretiert. Die «Annabelle» soll weiter ein Liebling der Werbebranche bleiben, aber gesellschaftsrelevante Themen werden wohl in Zukunft anderswo stattfinden.
Wer auch immer auf Lisa Feldmann folgt, ob es sich eine der Stellvertreterinnen - Stv. Chefredaktion: Silvia Binggeli (Leitung Lifestyle), Martina Monti (Textchefin Lifestyle), Bruno Ziauddin (Leitung Reportagen) - zutraut oder ob sich die Teppichetage für eine externe Kandidatin oder sogar einen Kandidaten entscheidet, wird sich zeigen. Eins sollte der neuen Chefredaktorin oder dem neuen Chefredaktor der «Annabelle» klar sein. Die Teppichetage wird die «Annabelle» künftig mit Argusaugen beobachten, die Zeiten der langen Leine sind endgültig vorbei.