Bevor in einem Krieg die ersten Schüsse fallen, haben die Propagandisten das Wort: Mit Flugblättern, Lautsprecherdurchsagen und Radiobotschaften sind die USA in der irakischen Öffentlichkeit schon jetzt allgegenwärtig. Mal erläutern die Texte die jüngste Irak-Resolution der Vereinten Nationen und die Waffeninspektionen im Land, mal rufen sie die irakische Armee zum offenen Widerstand gegen Präsident Saddam Hussein auf. Ziel sei es, das Propaganda-Monopol des Machthabers zu durchbrechen, betont Washington. Doch gleichzeitig hofft die US-Regierung auch, den Widerstand gegen Saddam Hussein im Land zu schüren und so den Sturz der Regierung herbeiführen zu können.
«Soldaten Iraks. Seit Beginn aller Zeiten hat es keinen ehrenwerteren Beruf gegeben als den des Soldaten», dröhnt eine Stimme auf Arabisch aus dem Radio-Äther. «Saddam hat dieses Erbe besudelt. Lasst Saddam den Ruf von Soldaten nicht länger beschmutzen», ruft die Stimme weiter. «Diese Botschaft wird jeden Tag ausgestrahlt», erklärt Pete Mitchell, ein Sprecher des Zentralkommandos der US-Armee. Handzettel informieren die Iraker über die Sendezeiten und Frequenzen, auf denen sie die Ansprachen empfangen können. «Das Ziel der USA ist es, der Propaganda, welche die Iraker ihren eigenen Leuten verabreichen, etwas entgegenzusetzen.»
In den vergangenen drei Monaten hat die US-Armee bereits elfmal stapelweise Flugblätter über Irak abgeworfen. Allein an Silvester ging südlich von Bagdad ein Regen von fast einer Viertelmillion Zetteln nieder, am Freitag waren es eine halbe Million Blätter. Einige der in arabisch und englisch verfassten Papiere erklären die Waffeninspektionen und plädieren für einen friedliche Lösung des Rüstungsproblems. Andere bedienen sich eines eher drohenden Tons. «Bevor du die Luftwaffe der Koalition angreifst, überleg dir, was die Folgen sind», warnt ein Handzettel irakische Soldaten vor Attacken gegen Kontrollflüge der USA und Grossbritanniens. Neben dem Text ist ein Soldat zu sehen, der bei einer Explosion getötet wird, und seine trauernde Witwe mit einem weinenden Kind auf dem Arm.
Im Radio laufen Berichte, die Saddam Hussein mit Stalin vergleichen und beteuern, dass nicht der Islam das Ziel der USA sei. «Wir kämpfen nicht gegen eine Religion», ist US-Präsident George W. Bush da beschwörend zu hören. Dann wieder wird der Leiter der Internationalen Atomenergiebehörde vorgestellt: Mohamed El Baradei ist Ägypter und liefert damit den Beweis, dass auch wichtige Araber gegen Saddam Hussein sind. Auch an die verzweifelte Versorgungslage im Land erinnern die USA. Saddam Hussein hungere sein Volk aus, lautet die Botschaft. Tatsächlich sind mehr als zehn Millionen der schätzungsweise 25 Millionen Iraker unterernährt. Dass allerdings internationale Organisationen auch dem Uno-Embargo gegen Irak mindestens eine Teilschuld an dieser Misere geben, verschweigt Washington wohlweislich: Bevor die Sanktionen 1991 in Kraft traten, lag die tägliche Kalorienaufnahme pro Person im Durchschnitt bei 3581 Kalorien. Inzwischen sind es nur noch 2033 Kalorien.
Freitag
03.01.2003