Es hat immer etwas Beklemmendes, ja fast Trauriges, wenn ein Preisträger aus gesundheitlichen Gründen nicht an einer Preisverleihung teilnehmen kann. Und so war es auch an der Pro-Litteris-Preisverleihung 2016 in Biel, wo der Schweizer Schriftsteller Markus Werner für sein Gesamtwerk ausgezeichnet wurde.
An Stelle des schwer kranken 71-jährigen Schriftstellers war seine Familie - seine Frau Katharina und seine Töchter - an den Bielersee gereist, um den Pro-Litteris-Preis 2016, der mit 40 000 Franken dotiert ist, im Kongresshaus entgegenzunehmen.
Markus Werner gehört spätestens seit seinem letzten Buch «Am Hang», das 2004 erschien und 2013 von Markus Imboden verfilmt wurde, zu den grossen Literaten der Schweiz oder wie der verstorbene Literatur-Kritiker Marcel Reich-Ranicki einst über ihn schrieb: «Er gehört zu den besten deutschsprachigen Schriftstellern seiner Zeit.»
Dass Werner ein Grosser ist, ist auch die Meinung des Schweizer Erfolgschriftstellers Peter Stamm, der als Mitglied der Jury in Biel eine Hommage auf Werner hielt. «Obwohl seine Sprache einfach zu lesen ist, ist sie hochpräzise gearbeitet, elegant und differenziert, reich und virtuos ohne jemals selbstgefällig zu sein», so Stamm, der dem Klein Report im Gespräch verriet, «dass Markus Werner und ich uns seit vielen Jahren über unsere Werke austauschen. Ich bin ein grosser Fan von ihm. Schade, dass er den Preis nicht persönlich entgegennehmen konnte. Ich hätte es ihm so gegönnt», so Stamm.
Markus Werner mag in Biel nicht live dabei gewesen sein, aber er hatte verfügt, dass Martin Ebel die Laudatio auf ihn hielt und dass war ein guter Schachzug des ehemaligen Gymnasiallehrers. Denn Ebel, Literaturchef des «Tages-Anzeiger», hielt eine sehr persönliche, ja fast liebenswürdige Rede auf den Preisträger.
«Die Aufgabe, dieses Laudatio zu halten, habe ich mit Freude übernommen, aber auch mit einem kleinen Unbehagen», so Ebel. «Zum einen ist es schmerzlich, diese Rede in Abwesenheit der Hauptperson halten zu müssen. Zum zweiten rührt das Unbehagen daher, dass ich - wir alle - das Werk Markus Werners als abgeschlossen betrachten müssen. Wenn kein Wunder geschieht, dann sind die sieben vorliegenden Romane das Werk, das er geschrieben haben wird.»
Peter Stamm ist seit Werners Erstling «Zündels Abgang» ein Fan des Schaffhausers. «Trotz seiner germanistischen Bilder und seiner Tätigkeit als Lehrer sind seine Texte nie abgehoben oder belehrend. Die schmalen Bücher - kaum einer hat mehr als zweihundert Seiten - sind schnell gelesen, aber sie hallen in der Erinnerung lange nach. Sie machen - wie Urs Widmer geschrieben hat - die Leser glücklich.»
Für den Laudator Ebel ist der Preisträger der «aufmerksamste, genaueste, sprachbewussteste, kritischste, manchmal unerbittlichste Leser, den ich kenne», so Ebel. «Ihn als Leser zu wissen, hat etwas Anspornendes, manchmal aber auch etwas Lähmendes. Wie hoch erst der Anspruch gewesen ist, den er sich selbst stellte, kann sich jeder ausmalen; wie oft es ihn gelähmt haben wird, auch. Gut, dass er diese Lähmung immer wieder überwunden hat, dass er gegen alle Zweifel und Widerstände diese sieben Romane vollendet hat. Ich danke Dir lieber Markus für diese Bücher.»