Normalerweise zeigt sich der deutsche Staat bei Reparationen aus der Vergangenheit aus verständlichen Gründen zurückhaltend. Schliesslich müssten Millionen von Menschen, respektive ihre Nachkommen für Weltkriege, Vertreibung, Völkermord und Vernichtung ihrer Vorfahren, ihres Besitzes und mehr entschädigt werden.
Doch bei deutschen Adeligen gibt es offensichtlich eine Ausnahme. Seit 25 Jahren verhandelt der deutsche Staat offenbar um die «Rückgabe» von Tausenden von Kunstwerken, um Wohnrechte zahlreicher Schlösser und anderer Kostbarkeiten mit den Hohenzollern («Süddeutsche Zeitung» 16./17. November 2019).
Seit über 25 Jahren geschieht dies diskret und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Damit ist nun Schluss. Der preisgekrönte Satiriker Jan Böhmermann hat am 14. November eine Aufklärungsstunde historischer Art geleistet.
Die öffentliche Debatte zur Rolle der deutschen Adeligen, die weder in der Weimarer Republik noch nach dem Zweiten Weltkrieg jemals vollständig enteignet wurden, geht nun dank Böhmermann viral, siehe #prinzdumm.
Auf hohenzollern.lol sind die bisher unter Verschluss gehaltenen vier Gutachten zur Frage der Verbindung zwischen den Hohenzollern und den Nationalsozialisten einseh-, runterlad- und verteilbar. Es sind alle Historikerinnen, Historiker und Juristen und Juristinnen aufgerufen, ihre Expertise beizusteuern.
«Die Nachfahren des Kaisers Wilhelm II. fordern Kunst- und Wertgegenstände aus Allgemeinbesitz zurück. Eine zentrale Rolle in den Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und dem Haus Hohenzollern spielt die Frage, ob Kronprinz Wilhelm dem nationalsozialistischen System 'erheblichen Vorschub' leistete. Dazu wurden bisher vier Gutachten verschiedener Historiker erstellt», heisst es dazu auf der Webseite.
Wortwörtlich sagt Jan Böhmermann in seiner Sendung ZDF neo: «Wie können wir, die Bürgerinnen und Bürger des demokratischen Deutschlands, den Hohenzollern alles wegnehmen, was sie besitzen, und zwar legal?»
Der Satiriker als aufklärerischer Storyteller: In einer halben Stunde hat Böhmermann geschafft, was klassische Medien 25 Jahre lang nicht erreicht haben oder nicht erreichen wollten: Die unrühmliche Rolle der deutschen Politiker gegenüber der politischen Vergangenheit des deutschen Adels zu thematisieren.
