Der Schweizerische Presserat hatte auch im Dezember 2016 verschiedene Beschwerden zu beurteilen. Der Klein Report hat sich unter den zahlreichen Beschwerden zwei Fälle herausgepickt, um zu zeigen, wie der Presserat die Beschwerden im Einzelnen beurteilt.
Es sind dies die Beschwerden des Hauseigentümerverbands Schweiz (HEV) und die eines ehemaligen Baudirektors aus Basel.
Der HEV Schweiz hat sich beim Schweizerischen Presserat darüber mokiert, dass in einem Beitrag vom «Kassensturz» zum Thema «Mietärger Nebenkosten» nur der Schweizerische Mieterverband und Felicitas Huggenberger zu Wort gekommen sind.
Der HEV Schweiz bemängelte bei seiner Beschwerde an den Presserat, dass die Berichterstattung von SRF1 unausgewogen gewesen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb im Beitrag des «Kassensturz» der Schweizer Mieterverband mehrfach zum Thema Mietrecht zu Wort komme, ohne dass sich eine angemessene Entgegnung des HEV im Beitrag finde. Dies, obwohl das Mietrecht Kerngebiet sowohl des Mieterverbands als auch des HEV sei.
Die Erwägung des Presserats zu den Vorwürfen des Hauseigentümerverbands: «Soweit der HEV eine unausgewogene Berichterstattung moniert, ist darauf hinzuweisen, dass sich aus der Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten weder eine ausdrückliche Pflicht zur `Ausgewogenheit` noch eine solche zu `objektiver Berichterstattung` ableiten lässt», so der Presserat.
«Aus berufsethischer Sicht ist nicht zu beanstanden, wenn sich ein Beitrag auf die Sicht der Mieter fokussiert und darauf, diese über die Rechtslage bezüglich eines Themas zu informieren, das wiederholt zu Ärger führt. Diese Rüge ist somit offensichtlich unbegründet.» Der Schweizer Presserat ist nicht auf die Beschwerde des HEV Schweiz eingetreten.
Ganz anders beim Fall D. Der Presserat nannte den vollen Namen des Beschwerdeführers, der Klein Report macht dies nicht und nennt ihn deshalb kurz D. Die «Basler Zeitung» (BaZ) widmete dem ehemaligen Baudirektor einen längeren Artikel anlässlich des 90. Geburtstages von D.
Unter anderem ist in diesem Artikel die Rede von Santiago Calatravas Projekt für den Neubau der Wettsteinbrücke. D. habe sich gegen das Engagement des spanischen Stararchitekten für den Neubau der Brücke gewehrt. Damit habe er den Kanton vor riesigen Ausgaben bewahrt, denn was Calatrava vorgelegt habe, sei ein «fertiger Bschiss» gewesen.
Wenig später erschien in der BaZ ein Leserbrief, in welchem sich D. für die erhobenen Vorwürfe entschuldigte. Es sei nicht seine Absicht gewesen, Calatrava persönlich zu beleidigen und er würde heute eine andere Wortwahl verwenden. Die Aussage «Bschiss» nehme er zurück.
D. reichte beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen den von der «Basler Zeitung» veröffentlichten Leserbrief ein. Den Brief hätte er auf Aufforderung von Calatravas Rechtsanwalt an dessen Adresse als Entschuldigung für die erhobenen Vorwürfe geschickt - und nicht an die BaZ zur Veröffentlichung als Leserbrief.
Auf Anfrage bei der BaZ sei ihm mitgeteilt worden, der Brief sei ihr von Calatravas Kommunikationsberater zugestellt worden. Daraus habe die BaZ geschlossen, dass die Veröffentlichung im Sinne des Beschwerdeführers sei und den Brief entsprechend publiziert. Diese Antwort habe D. nicht befriedigt.
Die Erwägungen des Presserats sind: «Ziffer 3 der `Erklärung` hält Journalistinnen und Journalisten dazu an, nur Informationen, Dokumente, Bilder und Töne, deren Quellen ihnen bekannt sind, zu veröffentlichen», so der Presserat.
«Der Beschwerdeführer bringt vor, diese Bestimmung sei durch das Publizieren seines Entschuldigungsbriefes an Calatrava als Leserbrief in der BaZ verletzt worden.»
Angesichts der Zeichnungspflicht von Leserbriefen gemäss Richtlinie 5.3 der «Erklärung» kommt der Presserat zum Schluss, «dass der BaZ eine erhöhte Verifizierungspflicht der Quelle zugekommen wäre. Denn der Brief von D. wurde der BaZ von einer Drittperson zugestellt und dies ohne Nachweis, dass D. mit dem Abdruck als Leserbrief einverstanden sei.»
Deshalb hätte die BaZ diese Quelle kritisch hinterfragen und bei D. nachfragen müssen, ob und in welcher Form sie den besagten Brief in seinem Namen abdrucken darf. «Dieser Verpflichtung ist die BaZ nicht nachgekommen und sie hat deshalb Ziffer 3 der `Erklärung verletzt.» Die Beschwerde wird gutgeheissen.