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Dienstag
21.10.2003

Inwieweit darf der Name eines Täters veröffentlicht werden? Der Schweizer Presserat hatte sich mit einer Artikelserie im «Blick» und im «Bund« zu befassen. Ursprung der Artikel war ein Communiqué der Berner Kantons- und Stadtpolizei vom August 2002, in dem ein verhafteter Mann mit vollem Namen genannt wurde. Er gestand später, in zwei Tötungsdelikte verwickelt zu sein. Der Mann erhängte sich im Dezember in seiner Zelle.

Im «Blick» wurde eine siebenteilige Serie unter dem Titel «Der Mitternachts-Mörder M.E. Seine Taten. Seine Opfer. Sein Leben» veröffentlicht. Der «Bund» nannte im Jahresrückblick den vollen Namen des Täters. Gegen die Behörden und die zwei Zeitungen hatte daraufhin der Adoptivvater des Täters Beschwerde eingelegt.

Bereits im Januar äusserte sich der Presserat zur Namensnennung: «Die Medien hätten unmittelbar nach der Verhaftung von M.E. besser auf die Namensnennung verzichtet und sich auf die Nennung der Initialen beschränkt. Denn die Nennung des vollen Namens war weder zur Vermeidung von Verwechslungen noch zur Beruhigung der Bevölkerung zwingend erforderlich. (...) Nachdem aber ein erheblicher Teil der Medien den Namen breit genannt hatte, war der Name M.E. in der Öffentlichkeit derart bekannt geworden, dass eine weitere identifizierende Berichterstattung - vorbehältlich deren Art und Weise - kaum mehr erheblichen zusätzlichen Schaden stiften konnte.» Dass der Bund den Namen vier Monate nach der Tat wieder erwähnte, verursachte der Familie des Täters keinen Schaden, da der Name zu diesem Zeitpunkt längst bekannt war. Hingegen rügt der Presserat die «Blick»-Journalisten, die zwei Monate nach dem ersten Suizid-Versuch des Täters Aussagen seines leiblichen Vaters publizierten, welche «eindeutig in die Intimsphäre von M.E., und sekundär in die Privatsphäre des Beschwerdeführers» eindringen würden. «Die Autoren wussten um die Labilität und die Selbstgefährdung von M.E. Sie hätten ein allfälliges öffentliches Informationsinteresse gegen die Suizidgefahr abwägen müssen», so der Presserat. Zudem würden die Hintergründe einer 23 Jahre zurückliegenden Adoption kaum Tatsachen enthalten, die aus Gründen der Informationspflicht veröffentlicht werden müssten. Es sei auch «geradezu fahrlässig» gewesen, unter den «gegebenen Voraussetzungen, den Artikel mit einem Zitat enden zu lassen, das als Aufforderung zum Suizid verstanden werden konnte».

Zwei Tage nach dem umstrittenen «Blick»-Artikel erfolgte der Suizid des Täters. Auch wenn der Presserat den Artikel ausdrücklich nicht in einen kausalen Zusammenhang stellt, so hält er doch fest, dass der Text die Intimsphäre von M.E. und die Privatsphäre des Beschwerdeführers im Sinne von Ziffer 7 der «Erklärung» verletzt.