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Donnerstag
30.12.2010

Der Schweizer Presserat hat eine Beschwerde gegen die Zeitungen «Zürcher Oberländer» und «Der Landbote» gutgeheissen, die in Berichten über die Person eines Angeklagten genauere Angaben veröffentlichten. Die beiden Beiträge unter den Titeln «Schlagfreudiger Casanova» und «Mit Kokain gehandelt und Ehefrau gewürgt» hätten entweder auf die genaue Bezeichnung des Herkunftslandes des Angeschuldigten und des Berufs des Opfers verzichten sollen oder sich bei der Veröffentlichung von Informationen aus der Intimsphäre von Täter und Opfer mehr Zurückhaltung auferlegen müssen, erklärt der Presserat zur Klage.

Der Rat sieht in diesen Äusserungen eine Verletzung der Ziffer 7 der «Erklärung» (Respektierung der Privatsphäre). Was war geschehen? Im «Zürcher Oberländer» wurde am 3. Juli 2010 über einen Strafprozess am Gericht Illnau-Effretikon berichtet: «Ein Hilfsarbeiter aus Effretikon hat kiloweise mit Kokain gehandelt und seine Frau zweimal gewürgt. Nun erhielt er dafür eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren.»

Laut dem Artikel des Gerichtsreporters Attila Szenogrady stand im Prozess die zentrale Frage im Vordergrund, wie es die Ehefrau des Angeschuldigten mit diesem so lange aushalten konnte. Dazu erwähnte der Bericht - unter Nennung von Alter und Beruf der beiden -, dass sie sich vor mehreren Jahren während eines Ferienaufenthalts der Frau im Herkunftsland des Mannes verliebt hatten. Der gleiche Beitrag erschien später auch im «Landboten».

Die in den beiden Artikeln beschriebene, anwaltlich vertretene Frau gelangte an die beiden Redaktionen und protestierte gegen die «identifizierende Berichterstattung». Sie sei von Bekannten, die von ihrer Ehegeschichte nichts gewusst hätten, auf die Berichte mit dem Hinweis angesprochen worden, es könne sich offensichtlich nur um sie handeln.

Darauf antworteten Christian Müller, Chefredaktor, und Andreas Stutz, stellvertretender Chefredaktor des «Zürcher Oberländer», sie bedauerten, dass der Geschädigten durch die Publikation des Artikels offenbar Nachteile erwachsen seien. «Wir halten jedoch fest, dass die in den genannten Artikeln eingeflochtenen Informationen relevant sind für das Erkennen der Zusammenhänge und der gängigen Praxis in der Gerichtsberichterstattung entsprechen.»