Der «Tages-Anzeiger» hat mit der Berichterstattung über den Pädophilie-Verdacht gegen einen Pater des Thurgauer Klosters Fischingen nicht gegen die «Erklärung und Richtlinien» für Journalisten verstossen. Der Beschwerdeführer hatte der Redaktion wegen mehrerer Berichte vorgeworfen, die Ziffern 3 (unbestätigte Informationen), 5 (Berichtigung von Falschmeldungen), 7 (Identifizierung; sachlich nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) und 8 (Menschenwürde) verletzt zu haben. Der Presserat lehnte die Beschwerde hingegen in allen Belangen ab.
«Die Berichterstattung über einen behaupteten Fall von gravierendem Missbrauch in einem Kinderheim liegt im öffentlichen Interesse», so der Presserat zum Vorwurf der Verletzung der Ziffer 3. Der Autor habe nicht bloss auf die Schilderungen eines Betroffenen, sondern auch auf den Umstand abgestellt, dass diese von einem Fachgremium in Österreich als glaubwürdig eingestuft worden seien und dass von anderen ehemaligen Klosterschülern ebenfalls Missbrauchsvorwürfe erhoben würden.
Auch die Berichtigungspflicht sieht der Presserat nicht verletzt. Die Beschwerde machte geltend, der «Tages-Anzeiger» fokussiere die Vorwürfe zu Unrecht auf einen bestimmten Pater, obwohl nicht erwiesen sei, dass sich die Vorwürfe von anderen Ehemaligen ebenfalls auf den gleichen Pater bezögen. Hier stehe Behauptung gegen Behauptung, weshalb keine Verletzung der Wahrheitspflicht festgestellt werden könne, aus der eine Pflicht zur Veröffentlichung einer Berichtigung abzuleiten wäre, so der Presserat.
Ebenfalls abgewiesen hat der Presserat den Vorwurf, dass der Pater aufgrund der Berichte des «Tages-Anzeigers» in einem Ausmass identifizierbar gewesen sei, das gegen die Ziffer 7 der «Erklärung» verstosse. Die Nennung des ersten Buchstabens vom Vornamen des Paters, die Erwähnung des heutigen Alters und des Orts seiner früheren Tätigkeit als Lehrer und heutigen Aufenthaltsorts seien «grösstenteils notwendig» gewesen, um die Missbrauchsvorwürfe einigermassen einordnen zu können, urteilte der Presserat.
Abgeblitzt ist der Beschwerdeführer auch mit der Anschuldigung, die Berichte würden diskriminierende, verallgemeinernde Anspielungen in Bezug auf die religiöse Zugehörigkeit oder auf die sexuelle Orientierung des beschuldigten Paters machen. «Wie der Presserat in früheren Entscheiden festgehalten hat, ist es zudem zulässig, bei Berichten über sexuelle Missbräuche die konkreten Taten in verhältnismässiger Weise zu beschreiben», heisst es abschliessend.