Unter dem Titel «Au coeur de la complosphère» (Im Herzen der Komplosphäre) veröffentlichte das Portal heidi.news im September und Oktober 2020 eine achtteilige Reportage über das Leben einer Westschweizer Gruppe sogenannter Verschwörungstheoretiker. Die Recherchen wurden im Versteckten gemacht.
Zwei in der Artikelserie erwähnten Personen haben deshalb beim Presserat Beschwerde eingereicht.
Dieser musste sich nun mit der Frage beschäftigen: Dürfen Medien verdeckt recherchieren, um neue Informationen zu liefern?
Die Antwort: Gemäss Schweizer Presserat ist dies zulässig, wenn die Informationen von offensichtlichem öffentlichem Interesse sind und sich anders nicht beschaffen lassen.
Das Vorgehen: Für eine Sicht aus der «Innenperspektive» hat der Journalist Gespräche mit den Mitgliedern der Gruppe geführt, ohne die tatsächlichen Gründe für seine Anwesenheit zu nennen. Er verfälschte auch verschiedene Elemente seiner Biografie und blieb während der Aktion fast zwei Monate inkognito.
Die Präzisierung: Die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» missbilligt zwar die Anwendung «unlauterer Methoden». Sie sieht jedoch Ausnahmen vor, in denen die verdeckte Informationsbeschaffung je nach Umständen als legitimes Mittel zur Recherche erscheint. Dies unter zwei Bedingungen: Die gesammelten Informationen müssen von überwiegendem öffentlichem Interesse sein und – als wichtiger Faktor – sie wären nicht durch eine fairere Methode zu erlangen.
Der Presserat kommt deshalb zum Schluss, dass im vorliegenden Fall die Berichterstattung aus dem Inneren einer Bewegung von Verschwörungstheoretikern von überwiegendem öffentlichem Interesse ist – insbesondere in Anbetracht des besonderen Kontexts der Pandemie und der Existenz ähnlicher Gruppierungen im Ausland.
Weiter urteilt er, dass ein Teil der durch die Reportage gelieferten Informationen ohne die Undercover-Arbeit von heidi.news der Öffentlichkeit nicht hätte zugänglich gemacht werden können.
Der Rat hat die Beschwerde daher abgewiesen.