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Mittwoch
24.06.2009

Der Schweizer Presserat hat die Medienschaffenden des Landes am Mittwoch zu sehr hoher Zurückhaltung bei der Nennung von Namen von Tatverdächtigen bei Verbrechen aufgerufen. «Redaktionen sollten nicht reflexartig publizieren, wenn Behörden den Namen und das Bild eines Tatverdächtigen freigeben, sondern eigenständige berufsethische Überlegungen anstellen», fordert das Gremium, das über die Einhaltung der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» wacht.

Als Beispiel nannte der Presserat den Fall Lucie vom März dieses Jahres, als ein Au-pair-Mädchen im Kanton Aargau umgebracht worden war. Dabei orientierte die Aargauer Kantonspolizei an einer vom Schweizer Fernsehen direkt übertragenen Pressekonferenz über den Stand der Ermittlungen und veröffentlichte dabei den vollen Namen und das Foto des geständigen, mutmasslichen Täters. Dies mit der Begründung, die Kantonspolizei suche als mögliche Zeuginnen weitere junge Frauen, die der Täter angesprochen hatte. Der überwiegende Teil der Schweizer Medien nannte daraufhin den Namen und veröffentlichte das Bild des mutmasslichen Mörders.

In seiner anlässlich seiner Jahrespressekonferenz veröffentlichten Stellungnahme hält der Presserat daran fest, dass die Freigabe von Namen und Bild eines Tatverdächtigen durch eine Behörde die Medienschaffenden nicht davon entbindet, eine eigenständige berufsethische Interessenabwägung vorzunehmen und die Verhältnismässigkeit einer identifizierenden Berichterstattung kritisch zu hinterfragen. Dies sei ein unabdingbarer Bestandteil der journalistischen Unabhängigkeit. Im Fall Lucie sei der mutmassliche Mörder trotz der aussergewöhnlichen medialen Aufmerksamkeit auch nach der Fernsehdirektübertragung nicht derart bekannt gewesen, dass danach jegliche Zurückhaltung in der weiteren Berichterstattung zwecklos geworden wäre.