Der «Puls-Tipp» hat mit der Berichterstattung über einen Todesfall im Berner Inselspital gleich mehrere standesethische Regeln verletzt. Zu diesem Schluss kommt der Schweizer Presserat in einem am Dienstag veröffentlichten Entscheid. Im September 2001 hatte der «Puls-Tipp» einen Bericht veröffentlicht, in dem er im Zusammenhang mit dem Tod einer 79-Jährigen im Inselspital schwere Vorwüre erhob: Die Frau sei beim Legen einer Magensonde durch die Bauchhaut zuerst fehlerhaft, dann ungenügend behandelt worden. Im Inselspital gebe es eine generelle Führungskrise: In drei Jahren seien vier der sechs Spitaldirektoren zurückgetreten. Die Spitalleitung gelangte an den Presserat, weil der Artikel unrichtige Aussagen enthalten habe. Zudem seien wichtige Informationen unterschlagen worden. Einem Interviewpartner sei der Text nicht zum Gegenlesen gegeben, ein weiterer sei nicht richtig über den Kontext informiert worden.
Der Presserat hiess die Beschwerde gut. Tatsächlich seien von den vier abgegangenen Spitaldirektoren drei altershalber pensioniert worden. Mit der Behauptung von vier Rücktritten habe «Puls-Tipp» das Wahrheitsgebot verletzt. Der «Puls-Tipp» habe umstrittene subjektive Vorwürfe der Angehörigen der Verstorbenen unerlaubterweise als objektive Fakten dargestellt, schreibt der Presserat weiter. Die Stellungnahme des Hausarztes der Patientin sei verzerrt und unautorisiert wiedergegeben worden. Schliesslich habe der «Puls-Tipp» die Leserinnen und Leser in die Irre geführt, indem er einen Experten nur allgemein befragte, die Aussagen im Text jedoch als auf den Fall bezogen darstellte. Weiter wurde das Anhörungsrecht insgesamt zu wenig respektiert, findet der Presserat. Die Stellungnahme des Presserates: http://www.presserat.ch/15590.htm
Dienstag
23.07.2002