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Montag
11.04.2022

Medien / Publizistik

Die Gastarbeiter sind nicht nur beim Bau der Stadien in Katar, sondern auch beim Erstellen weiterer Infrastruktur für die WM ums Leben gekommen...            (Bild: AI)

Die Gastarbeiter sind nicht nur beim Bau der Stadien in Katar, sondern auch beim Erstellen weiterer Infrastruktur für die WM ums Leben gekommen... (Bild: AI)

Am 27. Juni 2021 erschien in der Rubrik «Meinungen» der «NZZ am Sonntag» ein Text von Peter Hossli unter dem Titel «Wie stark der Regenbogen strahlt, zeigt sich 2022 in Katar».

Darin setzt sich der Autor mit dem Verhältnis Sport – Politik auseinander, insbesondere mit der bevorstehenden Fussball-Weltmeisterschaft in Katar.

Hossli nimmt den Umstand, dass der deutsche Fussball-Torhüter Manuel Neuer bei der Europameisterschaft mit einer Captain-Armbinde in den Regenbogenfarben gespielt hat, zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass so ein Zeichen gegen die homophoben Gesetze in Ungarn bisher «gratis» gewesen sei. Wie ernst es den Fussballern mit dem Einstehen für Menschenrechte wirklich sei, werde sich erst an der Weltmeisterschaft in Katar zeigen.

Der Protest werde dort wesentlich schwieriger werden. Das Land finanziere nicht nur Neuers Verein Bayern München mit, sondern auch den Verein Paris St. Germain, bei dem Stars aus gleich sieben Nationalmannschaften spielen. Einer der katarischen Staatsfonds sei auch Grossaktionär von Volkswagen, dem Hauptsponsor der deutschen Nationalmannschaft. Jetzt ertöne der Ruf nach einem Boykott der WM. Fussballer müssten am Golf beweisen, wie viel ihnen ihr Mut wert sei.

Der Autor stellt danach einige rhetorische Fragen – unter anderem: «Kann Neuer ohne Gesichtsverlust in Stadien spielen, bei deren Bau Tausende von Gastarbeitern starben?»

Dagegen hat eine Leserin Beschwerde beim Schweizer Presserat eingereicht. Sie zitiert einen Artikel des britischen «Guardian», der von 6750 verstorbenen Arbeitsmigranten spreche, davon stünden aber nur 37 im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen auf Bauplätzen von Fifa-Weltmeisterschaftsstadien.

Der Rechtsdienst der NZZaS beantragte, diese Beschwerde sei abzuweisen. Die sehr geringe Zahl toter ausländischer Arbeiter auf Stadion-Baustellen (37) im Vergleich zur Gesamtzahl (6750) ergebe sich aus einer Verlautbarung des katarischen WM-Organisationskomitees. Es sei eine Farce, behaupten zu wollen, diese Aussage entspreche der unumstrittenen Wahrheit.

Beim «Guardian» wird auch darauf hingewiesen, dass seine Recherche nur Todesfälle von Arbeitern aus Südasien erfasst habe. Die effektive Zahl sei aber wesentlich höher als insgesamt 6750, da weder das grosse Kontingent aus den Philippinen noch jenes aus Kenia mit untersucht worden sei.

Offen bleibt, wie viele südasiatische Arbeiter aufgrund sehr schlechter Arbeitsbedingungen gestorben sind und wie viele aufgrund von Krankheiten oder bei Verkehrsunfällen umkamen.

Der Presserat kommt zum Schluss, dass es angesichts der verschiedenen Stimmen nicht wahrheitswidrig sei, festzustellen, dass «Tausende von Gastarbeitern» im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen bei den Vorbereitungen zur WM 2022 gestorben sind.

Zwar sei es nicht genau, diese Zahl der Toten allein dem Bau der Stadien zuzuschreiben. Man hätte von WM-Projekten schreiben müssen.

Hinzu komme, dass diese sehr zugespitzte («versinnbildlichende») Formulierung Teil eines Kommentars war und dass die Zahl in diesem Kontext kein zentraler Punkt war. Es ging um die Rolle der Politik im Sport, aber auch um die Rolle Katars als Geldgeber vieler Sportmannschaften und als autoritärer, repressiver Staat, der als Gastgeber einer WM auftritt.

Die «NZZ am Sonntag» hat mit dem Artikel somit die Pflichten der Journalistinnen und Journalisten nicht verletzt.