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Dienstag
04.06.2002

Anonyme Anschuldigungen dürfen nicht veröffentlicht werden, auch wenn der Beschuldigte angehört wird. Zu diesem Schluss ist der Schweizer Presserat gekommen und hat deshalb eine Beschwerde gegen «Le Nouvelliste» gutgeheissen. Die Walliser Tageszeitung hatte Anfang 2002 über Vorwürfe berichtet, der Präsident der SVP-Sektion Martigny sei Mitglied einer der grössten Schweizer Neonazigruppen, wie der Presserat am Dienstag mitteilte. Der Artikel beruhte auf einem anonymen E-Mail. Der Betroffene dementierte die Vorwürfe im Artikel. Er wandte sich zudem an den Presserat und machte geltend, die Redaktion habe die grundlegende berufsethische Pflicht verletzt, keine Informationen und Dokumente zu veröffentlichen, deren Ursprung ihr nicht bekannt sind. Der Chefredaktor des «Nouvelliste» machte geltend, bei einer derartigen öffentlichen, politischen Anschuldigung seien die berufsethischen Regeln nicht anwendbar. Der Presserat hiess hingegen die Beschwerde gut. «Le Nouvelliste» hätte entweder auf die Veröffentlichung verzichten müssen, oder sie mit einer Recherche verifizieren müssen, argumentierte der Presserat. Es genüge nicht, die Recherche darauf zu beschränken, den Betroffenen mit dem Vorwurf zu konfrontieren und dessen Dementi zusammen mit dem Hinweis auf den anonymen Charakter der Information zu publizieren. Die Stellungnahme im Wortlaut: http://www.presserat.ch/15470.htm